© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Graf Draculas langer Schatten
Überträger von Krankheiten: Fledermäuse und Flughunde verbreiten mehr tödliche Viren als bisher angenommen
Tobias Schmidt

Sie prägt unsere Vorstellung von Vampiren, ziert die CD-Cover von Heavy-Metal-Gruppen und ist fester Bestandteil verwaltungsgerichtlicher Prozesse, in denen der Bau von Autobahnen oder Windrädern verhindert werden soll: die Fledermaus. Während das possierliche und ökologisch wertvolle Tierchen die okkulten und juristischen Assoziationen allein der Zuschreibung durch den Menschen verdankt, hat es sich den Ruf als Wirt für lebensgefährliche Krankheitserreger selbst zuzuschreiben.

Als in China 2002 SARS ausbrach, ließ das Virus mit fast tausend Toten bis 2003 das längst vergessene Schreckgespenst weltweiter Pandemien zurückkehren. Kaum jemand hätte gedacht, daß die Hufeisennase der Überträger sein könnte. Zuerst tippten Wissenschaftler auf die Schleichkatze als Wirt. Nun tobt der Ebolavirus seit 2014 wieder in Afrika. Die Sterblichkeitsrate in den betroffenen Staaten Liberia und Guinea liegt bisher bei 65 Prozent. Hauptverdächtiger könnte abermals die Fledermaus gemeinsam mit ihrem Verwandten, dem Flughund sein.

Mittlerweile bestätigen zahlreiche wissenschaftliche Studien, daß der Ursprung von lebensbedrohlichen Krankheiten wie SARS, Ebola und dem Marburg-Syndrom Fledermäuse bzw. Flughunde sind. Die Welt beruft sich auf Forschungsergebnisse von Christian Drosten, dem Leiter des Instituts für Virologie am Bonner Uniklinikum. Seine Forschungsgruppe habe herausgefunden, daß die Nachtjäger ein Hort verschiedenster Paramyxoviren sind. Letztere verursachen Krankheiten wie Masern, Mumps und Lungenentzündungen. Auch die Krebs und Leberentzündung hervorrufenden Hepatitis-B-Viren dürften ihren Ursprung bei den Fledermäusen haben. Drosten warnt davor, daß diese Krankheiten nicht ausgerottet werden können, solange Fledertiere als fliegende Multiplikatoren dienen.

Doch was ist die Lösung? Da halten sich die Virologen zurück. Flughunde sind in Afrika zwar eine Landplage; die 20 Fledermausarten in Deutschland jedoch vom Aussterben bedroht. Nicht ohne Grund kommt kein Straßenbau- und Windparkprojekt ohne Gutachten, Gegengutachten und Gegengegengutachten über etwaig betroffene Fledermauskolonien aus.

Zudem sind die „Freßmaschinen“, wie sie in einer Broschüre des Bundesamtes für Naturschutz genannt werden, ökologisch unverzichtbar: „Wie groß die Bedeutung der Fledermäuse für die biologische Schädlingsbekämpfung ist, wird deutlich, wenn man sich (…) die Vertilgung von Waldschädlingen vergegenwärtigt. Eine während einer Eichenwicklerkalamität beobachtete Kolonie mit 800 Mausohren beispielsweise fraß nach Berechnungen pro Nacht ca. 55.000 dieser Schmetterlinge!“ Und bereits vor drei Jahren warnte der Ökologe Justin Boyles (Universität Pretoria) im Science Magazine davor, daß das Massensterben der Fledermäuse am Weißnasensyndrom die US-Landwirtschaft bis zu 53 Milliarden Dollar Schaden zufügen könnte. „Ausrottung“ wird daher keine Option sein.

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