© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Kreuzweg
Seht, welch ein Mensch: Bei einem Passionsspiel im ehemaligen Westpreußen
Christian Rudolf

Für meine Sünden hat der Herr Jesus das alles gelitten“, sagt Maria mit fester Stimme. „Auf mich wirkt dieses Spiel wie zusätzliche Exerzitien.“ Gerade ist die knapp zweistündige Freiluft-Aufführung der Passion Christi zu Ende gegangen. Der Ansturm der Familien, Pilgergruppen, Gläubigen aus ganz Polen ist verebbt, die Schlußandacht in der Klosterkirche vorüber, der weite Platz, der eben noch mit Dutzenden Reisebussen vollgeparkt war, leer.

Schon bei Frost und Schnee gespielt

Jesus und Maria fahren den Reporter aus Deutschland im Auto zur nächsten Bahnstation. „Ich habe das Spiel noch nie selber ansehen können.“ Die Darstellerin der Maria schlüpft nun schon im 31. Jahr in die Rolle der Muttergottes, seit 1984 im Kloster von Górka Klasztorna (Westpreußen) zum ersten Mal das Leiden Jesu nachgespielt wurde. Seither mußte das Mysterium nicht ein einziges Mal ausfallen. Viele der einfachen Leute aus den Dörfern rund um den ältesten polnischen Marienwallfahrtsort blieben treu dabei. „Vergangenes Jahr haben wir bei Frost und Schnee gespielt“, sagt Maria nicht ohne Stolz. Der junge Ordenspriester Marek Gubernat spricht nicht viel. In der Rolle des Heilands hat er heute viel durchgemacht, mit Hohn, Stößen und echten Schlägen haben die Bauernburschen wahrlich nicht gespart.

Jeder Passionsspielort überall in Deutschland und Europa hat seinen eigenen Stil. Mit ihrem Realismus wie mit volkstümlicher Urwüchsigkeit und Einfachheit ohne Effekte berührt die Inszenierung von Górka besonders das Gemüt.

Fotos: Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern: „Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe“ (Joh 19, 17); Die Kreuzigung: „Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter ... und Maria von Magdala “ (Joh 19, 25); Gelitten unter Pontius Pilatus: „Also bist du doch ein König?“ (Joh 18, 37); In Verzweiflung: „Als nun Judas, der ihn verraten hatte, sah, daß Jesus zum Tod verurteilt war, reute ihn seine Tat“ (Mt 27, 3); Jesus stirbt am Kreuz: „Es ist vollbracht“ (Joh 19, 30); Hohepriester Kaiphas: „Er hat Gott gelästert! Wozu brauchen wir noch Zeugen?“ (Mt 26, 65); Jesus wird vom Kreuz genommen: „Josef nahm ihn und hüllte ihn in ein reines Leinentuch“ (Mt 27, 59)

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