© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Extreme Abgabenlast
Steuerstaat: Eine neue OECD-Studie zeigt, daß kaum ein Volk so ausgepreßt wird wie die Deutschen / Allein vom Lohn wird die Hälfte abgezogen
Thorsten Brückner

Die Ergebnisse einer neuen Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Steuer- und Abgabenlast in den 34 Mitgliedsländern sind für den hart arbeitenden Vollzeitverdiener in der deutschen Privatwirtschaft nichts Neues. Ein Blick auf seinen Gehaltszettel genügt ihm, um zu wissen, daß ihm der Staat Monat für Monat fast 50 Prozent seines Geldes in Form von Steuern und Abgaben abnimmt. 49,3 Prozent ist laut der Studie die genaue Zahl. Damit blieb die Abgabenlast im Vergleich zum Vorjahr (49,6 Prozent) in Deutschland nahezu konstant.

Nur der Rückblick ins Jahr 2000 zeigt größere Abweichungen. Damals mußten die Deutschen sogar 52,9 Prozent ihres sauer verdienten Geldes beim Staat abliefern. Dabei handelt es sich freilich nur um die Belastung des Einkommens. Mit Konsumsteuern kommen Durchschnittsverdiener je nach Konsumverhalten schnell auf eine Gesamtabgabenlast von bis zu 75 Prozent.

Sehr erhellend ist auch die Tatsache, daß die Studie die Gesamtsumme der Arbeitskosten ausweist und somit auch den Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungen beinhaltet. Da der Arbeitgeber diesen Anteil nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit zahlt, wird auch dieser dem Arbeitnehmer natürlich indirekt vom Lohn abgezogen.

In keinem anderen Industrieland, vom kleinen Belgien einmal abgesehen, greift der Staat den Menschen derart in die Tasche. Selbst in den skandinavischen Sozialstaaten liegt die Last um teilweise mehrere Prozentpunkte unter der des deutschen Arbeitnehmers. Von der Schweiz (22,0 Prozent), Australien (27,4 Prozent) oder den Vereinigten Staaten (31,3 Prozent) ganz zu schweigen.

Vor allem Alleinstehende, die nicht von Vergünstigungen im Steuerrecht und bei der Krankenversicherung profitieren, werden in der Bundesrepublik deutlich stärker zur Kasse gebeten als in anderen europäischen Ländern. In Griechenland, wo die Gesamtlast rund acht Punkte unter der der Deutschen liegt, zahlen Ehepaare mehr als hierzulande, während die Steuer- und Abgabenlast für Alleinstehende deutlich geringer ausfällt.

Deutschland weit über dem OECD-Durchschnitt

Die OECD legt ihren Berechnungen den durchschnittlichen Jahresbruttoverdienst eines Vollzeitarbeitnehmers in der Privatwirtschaft zugrunde. Dessen Einkommen betrug im vergangenen Jahr 45.170 Euro und ist damit das vierthöchste unter den 34 OECD-Ländern. Vor dem Abzug von Steuern und Abgaben wohlgemerkt. Nach Abzug aller Steuern findet sich das deutsche Durchschnittsgehalt plötzlich nur noch auf dem zehnten Rang wieder.

Vor allem kleine und mittlere Einkommen werden dabei im OECD-Vergleich überproportional belastet. Da sowohl die Progression bei der Einkommensteuer in Deutschland gedeckelt ist, als auch die Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung ab einem gewissen Gehalt nicht mehr weiter steigen, kommen Spitzenverdiener zumindest im OECD-Vergleich wieder etwas besser weg.

Allerdings liegt auch deren Steuer- und Abgabenbelastung über dem OECD-Durchschnitt. Selbst die Gruppe der Verheirateten ohne Kinder, die über das Ehegattensplitting noch die größten Steuervorteile erhält und mit einem Belastungsrückgang von 0,4 Prozent auf 45,1 Prozent den größten Rückgang aller untersuchten Gruppen aufweist, befindet sich damit noch immer fast zehn Prozent über dem OECD-Durchschnitt (35,9 Prozent). Auffällig ist, daß in 25 der 34 untersuchten Staaten die Steuerlast seit 2010 gestiegen ist. Vor allem die höheren Belastungen in Portugal, der Slowakei und den USA stechen dabei hervor und sind maßgeblich für den Gesamtanstieg um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verantwortlich. Auch 2011 und 2012 stieg jeweils die Gesamtbelastung im OECD-Raum.

OECD-Studie: Taxing Wages 2014 (bislang nur auf englisch und französisch erhältlich)

www.oecd-ilibrary.org

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