© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Schutz vor Übergriffen
Funktionskleidung: Zwei Amerikanerinnen haben für Frauen reißfeste Wäsche entwickelt, die nur die Trägerin ausziehen kann
Ronald Berthold

Vergewaltigungen machen Schlagzeilen. In Indien scheinen sich solche Verbrechen laut Fernsehberichten zu einem Volkssport einer bestimmten Gruppe testosterongesteuerter junger Männer entwickelt zu haben. Schweden bemüht sich, aufzuholen. Auch in Deutschland nimmt die Zahl zu: 2012 ermittelte die Polizei in 8.031 Fällen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung – 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Gemessen an insgesamt sechs Millionen Straftaten hierzulande haben Sexualverbrechen zwar nur einen verschwindend geringen Anteil, aber immerhin sind es 22 Taten pro Tag. Nach Staatsangehörigkeiten unterscheidet die Statistik nicht, und niemand weiß, wie hoch die Dunkelziffer ist.

In den USA haben jetzt zwei junge Unternehmerinnen einen neuen alten Schutz für Frauen vor sexuellen Übergriffen entwickelt: Unterwäsche mit einer Art Keuschheitsgürtel, die nur selbst ausgezogen werden kann.

Der unkaputtbare Gürtel ist der springende Punkt

Ruth und Yuval, so die Namen der beiden Erfinderinnen, sammelten für die Entwicklung der „Anti-Vergewaltigungs“-Dessous auf der Internetplattform www.indiegogo.com innerhalb von fünf Wochen knapp 55.000 Dollar (rund 40.000 Euro). Sie übertrafen damit ihr Ziel um zehn Prozent. 2.237 Menschen haben gespendet. Derzeit verfeinern die Frauen noch die Prototypen und arbeiten am Tragekomfort. Auch die Entwicklung möglichst vieler Größen steht auf dem Programm, vermelden Ruth und Yuval in ihrem neuen Update. Der Serienfertigung steht – wenn diese Probleme gelöst sind – wohl nichts mehr im Wege. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Unterwäsche auch in Deutschland auf den Markt kommt. Bevor sie bei H&M oder C&A in den Regalen liegt, können sich Frauen wohl schon über Onlineshops damit eindecken.

In einem Video präsentieren die Unternehmerinnen ihre Entwürfe: Die Wäsche wird mit einem elastischen Gürtel verschlossen, der weder mit einem Messer noch mit einer Schere durchtrennt werden kann. Ein Mann – wer sonst? – probiert sich in dem Filmchen daran vergeblich, allerdings ohne daß eine Frau den Slip trägt. Am Ende zerknüllt er den Gürtel wütend in der Hand.

Doch was geschieht, wenn der Vergewaltiger einfach das Höschen zerschneidet? Versuche mit einem Schneidewerkzeug an diesem Stoff präsentiert der Film nicht. Er zeigt in einer Animation lediglich, daß der Slip mit einer sogenannten Skelettechnik versehen sei, die ihn unzerstörbar machen soll. Alles dreht sich um den Bund: Trägt das potentielle Opfer den Schlüssel dafür nicht in seiner Handtasche oder am Körper, sondern deponiert ihn zu Hause, kann der Täter ihm nicht das Höschen vom Leib reißen – selbst wenn er mit einer Waffe droht; eine Art Wegfahrsperre für Dessous.

Die Schutzunterwäsche bieten die Unternehmerinnen ihren Kundinnen ausdrücklich für spezielle Aktivitäten an: für Tanzabende, Blind Dates, Joggen oder Nachhausegehen in der Dunkelheit – aber auch für „Reisen in fremdartige Länder“. Eine Formulierung, die in Deutschland wohl trotz des moralisch einwandfreien Hintergrundes des Projekts zu einem Shitstorm der Antirassismus-Lobby oder einer medialen Empörungskampagne geführt hätte.

Anders als der mittelalterliche Keuschheitsgürtel hat die als „Anti-Rape-Wear“ (Anti-Vergewaltigungs-Kleidung) beworbene Unterwäsche sogar einen gewissen Schick. Sie erinnert an Sportdessous. Die Models, die sie präsentieren, sehen darin tatsächlich immer noch sexy aus. Das Wort mag im Zusammenhang mit der Thematik nicht ganz passend sein.

Aber offensichtlich haben Ruth und Yuval auch genau daran gedacht. Denn als eine Form von Verkaufshemmnis könnte sich entwickeln, daß sich die Frau selbst nicht mehr attraktiv findet, wenn sie ihren Keuschheitsgürtel umlegt. Und für die Damenwelt ist das Wohlbefinden beim Blick in den Spiegel immer noch ein gewichtiges Argument bei der Entscheidung, was sie anzieht. Aber immerhin kann sie jetzt selbst entscheiden, wer es ihr auszieht.

Foto: Nein heißt nein: Wer’s nicht kapieren will, soll sich spätestens an der Hose die Zähne ausbeißen. Links im Bild: Models präsentieren die Wäsche

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