© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/14 / 02. Mai 2014

Die WDR-Meinungsmacherin
Karriere: Die erklärte Feministin und frühere „Monitor“-Moderatorin Sonia Mikich ist jetzt Chefredakteurin
Ronald Berthold

Was sagen heute schon die Adjektive „mutig“, „kritisch“ und „investigativ“ über eine Journalistin? Und was bedeuten sie, wenn der Intendant einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt sie als Auszeichnung verwendet? Eigentlich nur, die Dame muß wohl irgendwie dazugehören. Dazugehören zum etablierten Kreis der Reporter, der die Welt abends in den Tagesthemen auf die immer selbe Weise erklärt, immer dieselben Plattitüden verwendet, wenn sich Kritik an EU, Klimahysterie oder linkem Mainstream regt. Einem Klub von Meinungsmachern also, der sich gegenseitig für mutig und kritisch erklärt, weil er den Politikern und dem Zeitgeist nach dem Munde redet.

„Wir brauchen Sauerstoff von Feministinnen“

Sonia Seymour Mikich also sei „mutig, kritisch, investigativ“ – sagt zumindest WDR-Intendant Tom Buhrow und begründet damit die Berufung der langjährigen Monitor-Moderatorin zur Chefredakteurin seiner Anstalt. Am 1. Mai tritt die bald 63jährige ihr Amt an und folgt damit Jörg Schönenborn.

Ist dieses von Buhrow ernst gemeinte Lob in Wirklichkeit also unfreiwillig vergiftet? Sehr originell ist es zumindest nicht. Eher unwahrscheinlich scheint, Buhrow könnte damit Mikichs kritisch-investigativen Mut gemeint haben, „in schmierigen Pornokinos die Polstersitze vollzupinkeln, damit das Haus ein paar Tage lang dichtmachen mußte“. So beschrieb die bekennende Feministin im Zentralorgan Emma ihren Kampf für die Gleichberechtigung.

Überhaupt Emma und Alice Schwarzer. Seit den 1980er Jahren schreibt Mikich regelmäßig für das Magazin. Zuletzt nutzte sie dort ihr Forum, um die Herausgeberin immer wieder zu bauchpinseln: „Gerade Alice Schwarzer ist seit Jahrzehnten eine der unabhängigen Köpfe in der Republik, den eigenen Erkenntnissen verpflichtet. Sie hat ein tiefes Verständnis von Geschichte“, schrieb sie apologetisch im März, um den Text dann so zu beenden: „Wir können in der Publizistik Sauerstoff-Schübe gebrauchen, von alten und neuen Feministinnen. Noch lieber von radikalen.“

Ohne Zweifel hat sich die in Oxford geborene Sozial- und Politikwissenschaftlerin im Medienbetrieb mit abweichenden Auffassungen nie besonders unbeliebt gemacht. Als Nachkriegskind und erst recht aufgrund ihrer britischen Herkunft hat sie zwar noch den angelsächsischen Journalismus gelernt, der zwischen Kommentar und Bericht unterscheidet. Aber wirklich ausgeübt hat sie ihn nie.

Bei einem TV-Magazin wie „Monitor“ geht das schon vom Format her nicht. Hier stehen vor allem Meinung und Meinungsmache im Vordergrund – und zwar immer in eine Richtung. Anmoderationen führen nicht inhaltlich zum Thema, sondern fassen pointiert das zusammen, was der Reporter als Skandal empfindet. Beim Versuch, den konservativ-militärischen Widerstand um Stauffenberg zu diskreditieren, leitete Mikich dann auch sehr einseitig und antifaschistisch einen Beitrag ein: „Einige Offiziere des 20. Juli haben den Nationalsozialismus nicht nur begrüßt und bis zum Krieg gefördert. Sie haben sich sogar aktiv an Verbrechen der Wehrmacht im Osten beteiligt. Mehr als bisher bekannt war.“ Alles Nazis – auch die Widerständler: öffentlich-rechtlicher Aufklärungsauftrag erfüllt.

Karrieren werden bei ARD und ZDF ersessen

Ab und zu blitzen bei der Fernsehjournalistin, die bereits seit 2011 die Programmgruppe Inland des WDR leitet, dennoch differenzierende Betrachtungen auf. Wegen der mangelnden Bereitschaft, ihre Pädophilie-Affäre aufzuarbeiten, beschrieb sie die Grünen eine Woche vor der Bundestagswahl 2013 in den Tagesthemen als „die Partei, die Moral ganz groß schreibt und nun mit Gedächtnisverlust und Schadensbegrenzung daherkommt“.

Kritisch kommentierte sie auch die Bundestagsentscheidung, Beschneidungen muslimischer und jüdischer Kleinkinder aus religiösen Gründen zuzulassen. Das Kindeswohl dürfe nicht hinter falsch verstandener Toleranz gegenüber Religion zurückstehen. Und Putins Politik kommentierte sie dieser Tage für ARD-Verhältnisse überraschend ausgewogen. Dessen Politik sei zwar „ein Marsch ins 20. Jahrhundert“ und „nicht klug“: „Aber wo war die kluge Rußland-Strategie des Westens?“

Nun also soll die Journalistin, die als ARD-Korrespondentin in Moskau und Paris gearbeitet hat, helfen, den wichtigen Sender in das „crossmediale Zeitalter“ zu führen, wie Buhrow sich ausdrückte. Ob eine Frau, die kurz vor der Rente steht, dazu wirklich in der Lage ist?

Es ist das Schicksal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Quasi-Behörde, daß Karrieren in gewisser Weise auch ersessen werden und erst ab einem gewissen Alter möglich sind. Kritiker können Sonia Mikich vieles vorwerfen. Dafür aber kann sie nun wirklich nichts.

Foto: Sonia Mikich: Sie beschreibt sich selbst grammatikalisch nicht ganz korrekt als „deutsch-englisch-jugoslawisch Mischmasch“

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