© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

„Wir wollen kein Eurabien werden“
Niederlande: Geert Wilders auf der Überholspur / Christliche Parteien wollen wieder ins EU-Parlament
Mina Buts

Fuck the EU! Lang lebe Europa!“ Mit diesem brutalen Kommentar hat das Internetmagazin Geenstijl zum Ausdruck gebraucht, was viele Niederländer über die anstehende Europawahl denken. Sie fühlen sich schlichtweg bevormundet, weil sie schon am 22. Mai ihre Europaparlamentarier wählen und dennoch erst am Abend des 25. Mai das Ergebnis erfahren dürfen.

Ein früherer Wahltermin bei der Europawahl ist für die Niederländer nichts Neues, das gab es bereits vor zehn Jahren schon einmal. Neu aber ist die Tatsache, daß die EU eine Bekanntgabe des Ergebnisses vor dem Wahlsonntag verboten hat.

Forderung nach Austritt aus der EU sorgt für Aufsehen

„Laßt uns das kleine Polderland sein, das tapferen Widerstand gegen den Demokratiehaß der EU leistet!“ so Geenstijl, das dazu aufruft, sich als Helfer bei der Stimmenauszählung in den Wahllokalen und gleichzeitig bei Geenstijl mit dem entsprechenden Wahlbezirk zu melden. Wenn genügend Informanten zusammenkämen, könnte das Ergebnis doch schon am Wahlabend veröffentlicht werden – über 500 Freiwillige haben sich bereits eingeschrieben.

Die Europaskepsis der Niederländer wird sich auch im Wahlergebnis widerspiegeln. Denn neuesten Umfragen zufolge kann die euro- und islamkritische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders nun doch wieder damit rechnen, stärkste Fraktion zu werden.

Im Frühjahr sah es noch nicht danach aus, denn Wilders hatte bei einer Rede in Den Haag den Unmut der Medien und weiter Bevölkerungsteile auf sich gezogen, als er forderte: „Es soll weniger Steuern und, wenn es irgendwie geht, auch weniger Marokkaner geben.“ Bei der Frage an das Publikum, ob sie mehr oder weniger Marokkaner in ihrer Stadt wollten, skandierten die Zuhörer zwar mehrheitlich: „Weniger, weniger, weniger.“

Doch hatten sie damit offenbar nicht den Nerv der Niederländer getroffen. Lediglich 43 Prozent wollen weniger Marokkaner im Land, drei Viertel der Befragten meinten sogar, die Auslassungen von Wilders seien „nicht korrekt“ gewesen.

In der Folge sanken die Umfragewerte für die PVV drastisch, etliche Mandatsträger der PVV legten ihr Amt nieder, darunter auch so prominente wie der persönliche Referent von Wilders, Stephan Jansen, die Vorsitzende der PVV im Europaparlament, Laurence Stassen, die nun allerdings für eine britische eurokritische Partei kandidiert, und Lucas Hartong, Europaparlamentarier und designierter Spitzenkandidat für die Europawahl.

Kaum eine Partei traut sich, so radikale Forderungen gegen die EU zu formulieren wie die PVV. Neben dem Austritt aus der EU wird das Verlassen der Eurozone bei gleichzeitiger Wiedereinführung des Gulden gefordert. Handel könne nach einem solchen Austritt mit der ganzen Welt, aber auch mit der EU getrieben werden.

„Die Niederländer“, so Wilders, „stehen für Handelsgeist.“ Künftig soll kein Geld mehr an die EU oder bankrotte Länder fließen. Eine eigene Fiskalpolitik führe zu mehr Kaufkraft, mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätzen. Die Wirtschaftsleistung, so Wilders, könne ohne die Europäische Union bis zum Jahr 2024 um zehn Prozen steigen, unter dem Strich blieben jeder Familie jährlich 10.000 Euro mehr – bei den für ihre Sparsamkeit und Bescheidenheit bekannten Niederländern ist das durchaus ein schlagendes Argument.

Auch der Einwanderung erteilt die PVV eine klare Absage: „Wir schließen die Grenzen für Arbeitsimmigranten aus Polen, Rumänien und Bulgarien und für alle Immigranten aus islamischen Ländern.“ Die Masseneinwanderung und Islamisierung seien eine Katastrophe für die Niederlande: „Unsere Identität ist in Gefahr. Wir wollen kein Eurabien werden; wir wollen bleiben, wer wir sind. Wir wollen frei und souverän sein. Politische Entscheidungen treffen wir in Den Haag und nicht in Brüssel.“ Wilders betont: „Uns Niederländern geht es besser ohne die EU; es leben die freien Niederlande!“

Im kommenden Europaparlament wird die PVV vermutlich mit vier Abgeordneten vertreten sein und sich erstmalig auch an einer eurorechten Fraktion, bestehend aus Vlaams Belang, der FPÖ und dem Front National, beteiligen. Wilders hatte eine Allianz mit den Parteien lange katagorisch ausgeschlossen. Doch am 17. November des vergangenenen Jahres dann die Kehrtwende. „Dies ist ein historischer Tag. Wir werden uns gemeinsam von der EU-Elite und dem Monster Brüssel befreien“, erklärte Wilders bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Vorsitzenden des französischen Front National, Marine Le Pen. Wilders weiter: „Wir sind die alten Staaten in Europa, aber wir müssen für alles in Brüssel um Zustimmung bitten. Wir sind verpflichtet zu akzeptieren, was uns auferlegt wird, wer unsere Grenzen überschreitet. Wir wollen unseren Völkern die Freiheit zurückgeben.“ Und Marine Le Pen stimmte ein, dieser Tag sei ein „Wendepunkt“ (JF 48/13).

Auch die radikal-christlichen Parteien SGP und ChristenUnion (CU), die für die anstehende Wahl eine Listenverbindung eingegangen sind, äußern sich eurokritisch und werden, Umfragen zufolge, wieder einen Kandidaten ins EUParlament entsenden. Ihr Motto lautet: „Mehr Niederlande, weniger Europa!“

ChristenUnion kooperiert mit Cameron-Fraktion

Der christliche EU-Parlamentarier Peter van Dalen (CU) betonte dies in einer Fernsehdiskussion noch einmal; „Unsere Botschaft für die EU lautet: Zusammenarbeit ja, Superstaat nein!“ An einen Austritt aus der EU wird aber nicht gedacht, schließlich sei die Zusammenarbeit in umweltpolitischen Belangen, gegen den Menschenhandel und für Freiheit des Gottesdienstes in Europa ein wichtiges gemeinsames Anliegen. Van Dalen ist zur Zeit Vorstandsmitglied der Europaparlamentsfraktion „Europäische Konservative und Reformisten“. Unter Führung der britischen Konservativen Partei, kooperieren hier die tschechische ODS, die polnische PiS sowie mehrere kleinere Parteien aus unterschiedlichen Ländern.

Foto: Marine Le Pen (Front National) und Geert Wilders erklärten am 17. November ihre künftige Kooperation: „Dies ist ein historischer Tag“

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