© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Ein bißchen Irrsinn
Liederwettstreit: Am Samstag findet in Kopenhagen das Finale des Eurovision Song Contest statt
Toni Roidl

Ganz, ganz früher, in der guten alten Zeit, die auch nicht besser war, hieß der Eurovision Song Contest (ESC) noch schön schnörkelig „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ und brachte einige Schlager-Evergreens hervor, darunter Abbas Ohrwurm „Waterloo“ von 1974. Über den deutschen Sieg von Nicole mit ihrem Lied „Ein bißchen Frieden“ (1982) breitet man besser den Mantel des Vergessens. Spätestens seit die Hardrock-Monster-Finnen Lordi 2006 haushoch gewannen, ist der ESC nur noch eine Trash-Veranstaltung, die ihre eigene Peinlichkeit zelebriert.

Nun nähert sich das Fremdschäm-Großereignis zum 59. Mal. Ausrichter dieses Jahr ist Dänemark. Nach den beiden Halbfinals diese Woche findet die Endrunde am Samstag (10. Mai) in Kopenhagen statt. Teilnahmeberechtigt sind alle Länder der Europäischen Rundfunkunion (EBU), zu der auch Zwerge wie Andorra, San Marino und Montenegro gehören. Für das Finale gesetzt sind aber nur die fünf größten Geldgeberländer Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien sowie der Titelverteidiger und Gastgeber Dänemark. Statistische Abräumer der Wettbewerbsgeschichte sind aber die guinnessbeschwingten Iren, die mit fröhlich-melancholischen Pub-Weisen schon sieben Titel ersungen haben.

Bis 1999 galt die Sprachregelung, daß jeder Interpret in seiner Landessprache singen mußte. Seitdem gewannen nur noch englische Songs (Einzige Ausnahme: der serbische Titel „Molitva“). Das chaotische Regelwerk wurde seit 2008 fünfmal geändert. Die Türken sind immer noch nicht zufrieden und bleiben dem Contest beleidigt fern. Spekulationen über Manipulationen, insbesondere Gerüchte über eine „Ostblock-Punktemafia“, reißen weiterhin nicht ab.

Deutschlands diesjähriger Beitrag „Is It Right“ der Folkpop-Frauenband Elaiza ist nicht mal der schlimmste in der ESC-Geschichte: Das erst im vorigen Jahr gegründete Trio mit seiner polnisch-ukrainischen Frontfrau Elżbieta Steinmetz hat immerhin so einen süßen osteuropäischen Akzent beim Englisch-Singen ... In der deutschen Jury sitzen kompetente Musiker wie Rapper Sido. „Ich fühle mich geehrt und werde den Job mit dem besten Gewissen ausführen“, sagte Sido der Bild-Zeitung. Altes Schlitzohr.

Ginge es nach politischen Inhalten würde dieses Jahr der isländische Beitrag mit der Botschaft „No Prejudice!“ (Keine Vorurteile) sicher gute Chancen im Finale haben. Bei den englischen Buchmachern liegen indes die Beiträge aus Armenien und Schweden vorn.

www.eurovision.de

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