© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Grüße aus Bern
Schnauben und keuchen
Frank Liebermann

Die Berner Innenstadt an einem Wochenende zu besuchen macht überhaupt keinen Spaß. Noch mehr Einkaufssüchtige als unter der Woche überfluten die Stadt, ein nerviges Gedrängel und Geschubse macht fast jeden Schritt zur Qual. Was an normalen Wochenenden schon mühsam ist, wird zu ganz bestimmten Anlässen noch schlimmer.

Schlimme Wochenenden werden von zwei unterschiedlichen Personengruppen verursacht. Die ersteren sind die vielen unterschiedlichen Randalierer, die irgendeinen seltsamen Vorwand suchen, um die Bundesstadt im Rahmen einer Demonstration in Schutt und Asche zu legen. Dann gibt es die zweite Kategorie: Sportler. Die sind noch schlimmer.

Ziel ist nicht, seine Gedanken zu sortieren, sondern es ist der Wille, „Fun“ zu haben.

Über Veganer gibt es einen schönen Witz. Woran erkennt man einen Veganer? Am Essen? Nein, daran, daß er ständig darüber redet! So ist es auch mit den vielen Ausdauersportlern in Bern. Der Grand-Prix von Bern wirft seinen Schatten schon viele Monate vor dem Ereignis voraus. Im Büro, Verein oder Freundeskreis, ständig meint jemand einen zum Laufen motivieren zu müssen.

Der volkspädagogische Habitus, mit dem dann auch noch festgelegt wird, daß es angeblich gesund ist, stundenlang auf hartem Asphalt zu rennen, ist nur schwer zu ertragen. Angeblich sei dies alles ja ein Riesenspaß, fördere den Teamgeist und als richtiger Berner müsse man da sowieso mitmachen, meint ein Kollege von mir. Schließlich seien dies ja auch die schönsten zehn Meilen der Welt. Lustigerweise glauben fast alle Berner diesen Spruch von ihrem Stadtmarketing.

Hinzu kommen die Berner Unternehmen. Es gibt wohl keines, welches seinen Mitarbeitern das Startgeld nicht bezahlt, Trikots sponsert oder sonstigen überflüssigen Schnickschnack zur Verfügung stellt.

Im Mai ist es immer soweit. Eine Horde von 20.000 Joggern schnaubt, stöhnt, keucht und dampft durch die Stadt, nicht ohne diese zu verstopfen, zu verstinken und zu vermüllen. Dabei hat sich der Berner Jogger vom antiquierten Wald- oder Dauerläufer weit entfernt. Ziel ist es nicht, seine Gedanken in der Natur und bei Bewegung zu sortieren, sondern es ist der Wille, Teil einer uniformen Masse zu sein, die „Fun“ hat.

Irgendwo habe ich mal gelesen, daß Sport der beste Weg ist, Menschen den Spaß an der Bewegung zu rauben. Wenn ich mir den Grand-Prix von Bern so anschaue, kann ich dem nur zustimmen.

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