© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

SPD- und Grünen-Politiker „vergessen“ Zweitwohnungssteuer
Doch nur ein Kavaliersdelikt?
Henning Hoffgaard

Kann ja mal passieren. Da sitzt ein Politiker seit 2005 im Bundestag, wettert dabei immer wieder gegen Steuerhinterzieher und „vergißt“ dann selbst, die Zweitwohnungssteuer für seine Wohnung in Berlin zu zahlen. Jetzt hat es also ausgerechnet den Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und seinen SPD-Kollegen Niels Annen getroffen. Sie gestanden ihre Schuld schnell ein, zahlten die etwa 2.000 Euro nach und wollen es damit auf sich beruhen lassen. Mehr als eine Geldbuße droht den beiden bei einer Verurteilung nicht.

Interessant ist der Fall aus zwei Gründen. Erstens ist es durchaus merkwürdig, daß Bundestagsabgeordnete, die wie viele ihrer Kollegen eine Zweitwohnung in Berlin bewohnen, wirklich nicht wissen, daß sie dafür Steuern zahlen müssen. Zweitens waren es ausgerechnet SPD und Grüne, die in der Hoeneß-Affäre die lauteste Kritik vorbrachten. Hofreiter selbst teilte damals mit: „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und gehört streng bestraft.“ Daß sich der Bayern-Aufsichtsrat nicht sofort von Hoeneß distanzierte, sei „ein Skandal“. Wie gut für Hofreiter, daß seine Parteifreunde sich nun ganz genauso verhalten. „Er hat seinen Fehler eingestanden, ihn bedauert und sofort korrigiert, als er davon erfuhr. Für mich ist das der richtige und anständige Umgang mit diesem Fehler, und für mich hat es sich damit dann auch“, versicherte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt

Jeder Steuerzahler, der schon wegen Kleinstbeträgen vom Finanzamt terrorisiert wird, darf sich genau überlegen, ob auch er auf solche nonchalante Nachsicht hoffen dürfte. Ein Vorsatz ist bei Annen und Hofreiter allerdings unwahrscheinlich. Beide verdienen dank dauernder Diätenerhöhungen genug, um auf die paar hundert Euro im Jahr verzichten zu können. Viel wahrscheinlicher ist, daß sie schlicht die Übersicht über die ausufernden und bibliothekenfüllenden Steuerregeln verloren haben. Aber ein Steuerrecht, das jeder versteht, wird vom Finanzminister nicht gerne gesehen.

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