© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Blick in die Medien
Letzte Ölung für die Jugendpresse
Toni Roidl

Am erdrutschartigen Niedergang der Jugendzeitschrift Bravo (Bauer-Verlag) kann man das Zeitungssterben im Schnelldurchlauf studieren. Bravo hat in den vergangenen 15 Jahren fast 90 Prozent der verkauften Auflage verloren. Von mehr als einer Million blieben Anfang 2014 keine 170.000 mehr.

Der spätere Regierungssprecher Kohls und Springer-Aufsichtsrat Peter Boenisch gründete das Jugendblatt vor rund sechs Jahrzehnten als „Zeitschrift für Film und Schlager“. Der überzeugte Atlantiker paukte mit Bravo die Amerikanisierung der Jugendkultur durch, was Rock’n’ Roll und Hollywood hergaben. Kurioserweise weigerten sich jedoch viele US-Unternehmen, in Bravo zu werben, weil ihnen die Inhalte zu „explizit“ waren.

Doch die Zeitschrift schaffte es immer wieder, sich an die Spitze aktueller Jugendtrends zu setzen und so selbst Teil der Jugendkultur zu werden. Die Erfindung des „Starschnitts“ schlug sensationell ein. Die Maxi-Faltposter hingen in Hunderttausenden Kinderzimmern.

Aber die beste Erfindung der Redaktion war der Sex-Ratgeber „Dr. Sommer“, der beantwortete, was Pubertierende nicht zu Hause zu fragen wagten. „Dr. Sommer“ war real. Der erste hieß Dr. Martin Goldstein und war Arzt, Psychotherapeut und Religionslehrer. Auf die Frage, ob in Bravo wirklich immer alle Leserbriefe echt waren, antwortete er: „Wir bekamen im Monat Tausende Briefe. Warum also hätten wir noch welche erfinden sollen?“ Für die Leser-Blatt-Bindung war das Superzement. Die Auflage kletterte auf 1,5 Millionen.

Seit Teenie-Idole wie Justin Bieber Twitter- Accounts haben, ist die „Bravo“ überflüssig

Das goldene Zeitalter für Bravo waren die siebziger und achtziger Jahre. Bravo brachte die erste „Boygroup“ (The Teens) groß heraus und erfand die „Popper“, die vom Medienphänomen zum realen Jugendkult wurden. Die Trendforscher der Bravo waren erstaunlich hellsichtig: Ob Punk, Gothic, Hip-Hop oder Techno, stets war Bravo früh auf dem laufenden und erklärte den Lesern das neueste heiße Ding.

Doch dann sank die Auflage um zwei Drittel auf den Stand von 1960. Seitdem ging es immer tiefer in den Keller. Da halfen auch die Diversifizierung in Untertitel wie Bravo Girl, Bravo Sport und Bravo Screenfun nicht, von denen die meisten schnell wieder eingestellt wurden. Allein in den letzten zwei Jahren hat sich die verkaufte Auflage nochmals beinahe halbiert. Aus Kostengründen schaffte die Redaktion erst kürzlich das „Dr-Sommer“-Team ab.

Die Anfragen (heute sind es Mails statt Briefe) werden nur noch mit Textbausteinen von Praktikanten und Volontären beantwortet. Der Bauer-Verlag begründete den Schritt damit, daß Jugendliche heute ins Internet schauen, statt eine Zeitschrift zu kaufen. Das gilt nicht nur für Aufklärungsfragen. Seit Teenie-Idole wie Justin Bieber Homepages, Facebook-Seiten, Blogs, You-tube-Kanäle und Twitter-Accounts haben, braucht die Generation Smartphone kein Papierheft mehr.

Der Fall Bravo zoomt das Print/Online-Dilemma scharf heran. Die Macher der sich für unentbehrlich haltenden „Qualitätspresse“ sollten genau hinsehen.

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