© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Im Namen der Volksbildung
Margot Honeckers Stellvertreter blickt zurück
Konrad Faber

Rudolf Parr ist ein Vertriebenenkind, welches der DDR alles verdankt. Vom Abitur und Lehrerstudium über den beruflichen Aufstieg als Schuldirektor, Bezirksschulrat im Bezirk Neubrandenburg hin zum Amt als stellvertretender Volksbildungsminister der DDR der Jahre 1970 bis 1989.

Seine Erinnerungen sind jedoch sehr zwiespältig ausgefallen, so daß der Verfasser gemäß Selbsteinschätzung bei DDR-Nostalgikern nunmehr als „Nestbeschmutzer“ gilt, während ihn kritischere Betrachter der DDR-Geschichte weiterhin für einen unverbesserlichen sozialistischen Romantiker halten werden. Dazu trägt die Schreibweise der Memoiren maßgeblich bei. Jedes Kapitel beginnt mit einem Hohelied auf den Sozialismus und seine Schule, während daran anschließend die vorhandenen Schwachpunkte und Mängel des sozialistischen Schulwesens durchaus zutreffend beschrieben sind.

Die ideologische Gängelung und Bevormundung von Lehrern und Schülern, die blinde Übernahme sowjetischer „Erfahrungen“ und den unsäglichen Wehrkunde-unterricht nicht ausgenommen, obwohl sich Parr selbst dafür kritisiert, gegen letzteren nicht energisch genug aufgetreten zu sein. Die interessantesten Abschnitte des Buches sind ohne Zweifel seine auf jahrelanger Zusammenarbeit beruhenden Eindrücke von Margot Honecker. Die durchaus charmant auftretende Volksbildungsministerin war ihrem Mann intellektuell weit überlegen. In dieser Funktion prägte sie das Bildungs- und Erziehungssystem der DDR von 1963 bis in die Endzeit im November 1989.

Doch obwohl sie im Amt aufging und sich dem geistigen Wohl der Kinder ernsthaft verpflichtet fühlte, hatte sie manche Schattenseite. So gerierte sie sich als Gralshüterin der marxistischen Ideologie in der DDR und konnte bei vermeintlichen Abweichungen davon knallhart reagieren. Bei einem getroffenen Vergleich muß man leider dem Verfasser zustimmen: Das frei von antiautoritären Tendenzen existierende DDR-Bildungswesen produzierte ungeachtet aller seiner systemimmanenten Schwächen nicht ansatzweise so viele „Bildungsversager“ und funktionelle Analphabeten wie die gegenwärtige Pädagogik in der Bundesrepublik.

Rudolf Parr: Es war nicht umsonst. Erinnerungen an die DDR und ihre Schule. Ludwigsfelder Verlagshaus, Ludwigsfelde 2013, gebunden, 164 Seiten, Abbildungen, 19,80 Euro

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