© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/14 / 16. Mai 2014

Knapp daneben
Selber kochen ist keine Alternative
Karl Heinzen

Auch mit 71 Jahren kann Günter Wallraff nicht davon lassen, als Undercover-Journalist die Übel unserer Welt zu enthüllen, anstatt dem Beispiel anderer Senioren zu folgen und auf Kreuzfahrten träge den Lebensabend zu genießen.

Die Auswahl seiner Opfer folgt wie bei einem Serientäter zumeist einem klaren Muster: Sein Furor richtet sich auf Betriebe, die um des schnellen Profits willen allen Anstand vergessen. Sie sind so zahlreich, daß dies sogar ein strukturelles Problem unseres Wirtschaftssystems zu sein scheint. Wohin man auch schaut, knechten Unternehmen ihre eingeschüchterten Beschäftigten und speisen die Kunden mit lausigen Produkten und Dienstleistungen ab.

Nun ist auch die Systemgastronomie in Wallraffs Fadenkreuz geraten. Das war längst überfällig. Wo einem sozial schwachen und geistig minderbemittelten Massenpublikum Fraß für wenig Geld vorgeworfen wird, kann es nicht mit rechten Dingen zugehen.

Die hygienischen Mißstände in den privaten Küchen der Bürger stellen alles in den Schatten.

Diese Vermutung haben Wallraffs Recherchen bei einem Franchisenehmer von Burger King auf Anhieb eindrucksvoll bestätigt. Bratlinge wurden in Wannen warmgehalten, Salat lag stundenlang herum. Mitarbeiter, die gerade noch die Toiletten gesäubert hatten, gingen in der gleichen Kleidung in der Küche ans Werk, zu deren Ausstattung noch nicht einmal eine Spülmaschine oder ein Dosenöffner gehörte. Die Beschäftigten arbeiteten zu Dumpinglöhnen, Überstunden wurden nicht vergütet und Sozialleistungen verweigert.

Burger King hat, wie es zu erwarten war, kleinlaut Besserung gelobt. Dieser Demutsgeste dürfen aber keine Taten folgen. Wenn Fast-Food-Ketten unter dem Druck überzogener Standards die niedrigen Preise nicht mehr halten können, besteht die Gefahr, daß viele Menschen ihr Essen wieder selbst zubereiten. Das kann niemand wünschen. Das Wissen um die richtige Lagerung von Lebensmitteln ist dünn gesät. Die hygienischen Mißstände in den privaten Küchen der Bürger stellen alles in den Schatten, was in Gastronomie­skandalen ans Licht kam. Es fehlt ein Wallraff, der sich einmal in Haushalte einschleicht, um die Menschen wachzurütteln.

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