© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Assad marschiert voran
Syrien: Kurz vor den Wahlen demonstriert der Präsident, daß er handlungsfähig ist
Günther Deschner

Als der bisherige UN-Sondergesandte für Syrien, Algeriens Ex-Außenminister Lakhdar Brahimi, vergangene Woche seinen Rücktritt erklärte, entschuldigte er sich beim syrischen Volk. „Ich bitte Sie um Verzeihung, daß wir Ihnen nicht so geholfen haben, wie es notwendig war und Sie es verdient haben“, sagte er nach einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats. Die Tragödie müsse beendet werden, erklärte Brahimi und appellierte an die Konfliktparteien: „Es ist doch Ihr Land, es geht doch um Ihre Zukunft!“

Abzug der Rebellen aus Homs setzt Signale

Brahimis Rücktritt folgte kurz nach dem Eingeständnis, daß er nach zwei ergebnislosen Genfer Verhandlungsrunden zur Beilegung des Syrienkonflikts vorerst keine Chance für weitere Gespräche auf internationaler Ebene sehe. Bereits sein Vorgänger als UN-Sondergesandter, Kofi Annan, hatte Anfang 2012 nach nur sechs Monaten seinen Vermittlerjob geschmissen – mit der Begründung, im Sicherheitsrat blockierten die unterschiedlichen Interessen der USA und ihrer westlichen Alliierten auf der einen und Rußlands und Chinas auf der andern Seite jeden Kompromiß.

„Regimewechsel“ war zum Reizwort für Moskau und Peking geworden. Beide sahen in den Versuchen des Westens, weltweit als „Demokratisierer“ aufzutreten, einen Vorwand, um den Macht- und Einflußbereich Washingtons und seiner Nato auf Kosten Rußlands und Chinas auszudehnen. Auf diesem weltweiten Spielfeld wurde Syrien nun zu einer ersten Station, die Washington & Co. nach Irak und Libyen klar machen sollte: „Bis hierher und nicht weiter!“

Inoffiziellen Schätzungen zufolge kostete der syrische Bürgerkrieg in den vergangenen drei Jahren etwa 150.000 Menschen das Leben. Der Konflikt ist deswegen so komplex, seine Lösung so kompliziert, weil er auf mehreren Ebenen parallel geführt wird: auf der nationalen syrischen zwischen Assads Regierungspartei der arabischen nationalen Wiedergeburt „Baath“ und ihren Gegnern. Ferner zwischen den verfeindeten Religionsgemeinschaften (Schiiten, Alawiten und Sunniten). Drittens auf der regional nahöstlichen zwischen den konkurrierenden Führungs- und konfessionellen Schutzmächten Iran und Saudi-Arabien. Sowie auf der internationalen Bühne des UN-Sicherheitsrats (USA gegen Rußland und China).

Lange Zeit sah es so aus, als könne aus dem dreijährigen Bürgerkrieg auch ein dreißigjähriger werden, doch der jüngst ausgehandelte Waffenstillstand von Homs – der drittgrößten Stadt in Syrien – läßt neue Perspektiven zu und ist von starker Symbolkraft. Homs war der Ort, wo 2012 aus den ersten Bürger-unruhen ein Aufstand und Bürgerkrieg wurde. Jetzt aber erlaubte die Armee den Aufständischen den „ehrenhaften Abzug“. Im Gegenzug ließen die Rebellen Gefangene und schiitische und christliche Geiseln frei.

Joshua Landis, international prominenter Syrien-Experte, kommentierte: „Der Homs-Deal, der auf in der Genf-2-Konferenz eingeleitete Vermittlungsversuche folgt und mit iranischer Hilfe – eine diplomatische Premiere! – zustande kam, ist auch ein Ergebnis aktueller militärischer Erfolge der Regierung zwischen Damaskus und den Hafenstädten am Mittelmeer.“ Bashar al-Assad, der ja im Juni seine Präsidentschaftswahlen durchziehen will, habe ein Interesse daran, zu demonstrieren, daß er handlungsfähig ist.

Der Aufstand ist mit dem Fall von Homs aber nicht zu Ende, weite Landesteile im Norden und Nordosten Syriens sind weiter in Rebellenhand. Doch gibt es Anzeichen dafür, daß sich das politische Klima in der Region verbessert, daß sich handelnde Politiker neu positionieren – unter anderem auch auf der Suche nach Kompromissen.

Saudi-Arabien und Iran an den Schalthebeln

Landis und andere unparteiische Experten rechnen sogar mit mehr Druck von zentralen Partnern auf beide Seiten – des Iran auf Assad, der Saudis auf die Rebellen. Dieser Druck könnte mit einer schon heute feststellbaren Ermüdung der beiden kriegführenden Seiten in Syrien zusammenkommen. Dieser Umstand spricht dafür, daß es, falls überhaupt, ein Kompromiß werden dürfte, in dem sich Assad als wiedergewählter Präsident halten kann.

Daß er die Wahl am 3. Juni gewinnen wird, gilt als sicher. Neben ihm als Amtsinhaber sind nur zwei als Außenseiter geltende Kandidaten zugelassen worden: der Rechtsanwalt Maher Hajar, der einer kleinen Linkspartei angehört, die seit Jahren mit der regierenden Baath-Partei Assads koaliert, sowie der parteilose Unternehmer und ehemalige Staatsminister Hassan al-Nuri.

Nach einer im März vom Parlament gebilligten Wahlrechtsreform dürfen Syrer, die in den vergangenen zehn Jahren im Ausland gelebt haben, nicht teilnehmen. Viele Regimegegner waren wegen der staatlichen Repression ins Exil gegangen und sind deswegen jetzt von der Abstimmung ausgeschlossen. Auch deswegen lehnen westliche Länder die Wahl als „undemokratisch“ ab.

Ob es möglich sein wird, glaubwürdige Garantien auszuhandeln, die ein allzu brutales Durchgreifen seiner Sicherheitskräfte mäßigen, wenn der alte Präsident auch der neue sein wird, müßte sich zeigen. Könnte, ähnlich wie es im Libanon nach dem dortigen Bürgerkrieg (1975–1991) zur Zeit Rafik Hariris geschah, Aufbauhilfe von saudischer Seite, die Syrien bitter benötigen wird, in diesem Sinne mäßigend wirken?

Jedenfalls hätte eine Lösung, die von den Sponsoren der Bürgerkriegsparteien angestrebt würde, das heißt durch Iran und Saudi-Arabien, den Vorteil, daß sie von Regionalmächten ausginge, die Syrien näherstehen als die Großmächte mit ihrer durch ihre globalen Interessen bestimmten Großmachtdiplomatie.

Foto: Pro-Assad-Demonstration in Damaskus: Einiges deutet darauf hin, daß der „Regimewechsel“ ausbleibt

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen