© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Fehler sind hier Führungsstärke
Berlin: Zwei Jahre nach der abgesagten Eröffnung steigen die Kosten auf Berlins teuerster Staatsbaustelle unaufhörlich weiter
Ronald Berthold

Wenn Sie diesen Artikel in einem Monat noch einmal lesen, wird er wahrscheinlich immer noch brandaktuell sein. Denn es geht nichts voran am geplanten Hauptstadtflughafen BER. Nur eine Sache wird sich in vier Wochen definitiv geändert haben: Weitere 40 Millionen Euro werden die Steuerzahler für die größte Problembaustelle Deutschlands aufgebracht haben. Denn jeden Tag kostet das Desaster mittlerweile mehr als eine Million Euro. Die Gesamtkosten sind seit 2006 von zwei Milliarden Euro auf inzwischen geschätzte 5,4 Milliarden Euro angestiegen. Ob selbst dieses Geld letztendlich wirklich reicht, bleibt mehr als fraglich.

Zwei Jahre sind vergangen, seit die Flughafengesellschaft die für den 3. Juni 2012 geplante Eröffnung kurzfristig abgesagt hat. Danach sollte am 27. Oktober desselben Jahres das erste Flugzeug abheben. Dann irgendwann 2013. Und jetzt? 2014 definitiv nicht mehr, und aller Voraussicht nach auch im kommenden Jahr nicht, wie Insider einräumen.

Das Märchen von der Entrauchungsanlage

In seinem Enthüllungsbuch „Black Box BER“ schreibt der Chefarchitekt Meinhard von Gerkan, die Eröffnungstermine seien „nach dem politischen Kalender gesetzt worden, zumeist mit mit verkürzten oder zu kurz bemessenen Fristen und gegen den Einspruch der Bauleitung“.

Die Entrauchungsanlage, an deren Mängeln angeblich die Misere liegt, ist – wie jetzt bekannt wurde – weder fertiggebaut noch jemals getestet worden. Obwohl BER-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn dem dafür zuständigen Chefplaner, Alfredo di Mauro, kürzlich einen neu geplanten Testlauf zugesagt hatte, kam es nicht dazu. Stattdessen teilte die Flughafengesellschaft ihm jetzt mit, die Planungsunterlagen dafür aus Platzmangel „der Entsorgung zugeführt“ zu haben. Mit den Plänen flog auch jede Menge Geld in den Mülleimer. Denn di Mauro erhielt die Kündigung.

Nun geht alles wieder von vorn los. Neue Leute sollen eine neue Anlage planen. So weit sind Berlin, Brandenburg und der Bund, die das Projekt unbedingt in Eigenregie bauen und nicht in die Hände privater Unternehmen legen wollten, nach zwei Jahren Neustart. So weit hätte der Staat eigentlich auch schon einen Tag nach der Eröffnungsabsage sein können.

Kein Politiker hat aus dieses Debakel die Konsequenzen gezogen. Es gab bisher lediglich einen Rücktritt, und der fand wohl mehr zum Schein statt. Denn nur elf Monate nachdem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Vorsitz des Aufsichtsrates abgegeben hatte, ließ er sich wieder inthronisieren. Für die sagenhafte Verschwendung von bisher dreieinhalb Milliarden Euro an Steuergeldern wird wohl niemals jemand die Verantwortung übernehmen müssen.

Sollte das Projekt tatsächlich irgendwann in Betrieb gehen, wird der Flughafen bereits zu klein sein. Dieses in den ganzen katastrophalen Zusammenhang passende Aperçu hat BER-Geschäftsführer Hartmut Mehdorn inzwischen verkündet. Westlich des Hauptterminals müssen dann zwei weitere gebaut werden. Die wären aber frühestens 2022 verfügbar. Auch die Länge der Gepäckbänder und der Stauraum für bei der Abfertigung anstehende Passagiere reichen nicht aus.

Prognose: Flughafen wird zu klein sein

An Mehdorn, der sich seit einem Jahr als Feuerwehrmann versucht, mehrt sich die Kritik. Der Rechnungshof moniert, daß die Flughafengesellschaft bisher „weder einen neuen Eröffnungstermin noch einen Bauablaufplan oder ein Finanzierungskonzept“ vorgelegt habe: „Die Überführung der Ergebnisse in eine schlüssige Gesamtplanung dauert seit Ende Juli 2013 an“, schimpft die Behörde. Allerdings drückt sie sich damit noch harmlos aus. Denn tatsächlich hat sich seit Mai 2012 nichts mehr getan.

Es wird immer deutlicher, wie unfähig nicht nur der Staat ist, ein solches Bauprojekt zu realisieren, sondern wie unbrauchbar die gesamte Unternehmensstruktur für den Bau eines Flughafens ist. An der Spitze stehen „Kaufleute und Juristen“, wie eine kürzlich entlassene Abteilungsleiterin bemängelt. Stattdessen gehörten Bauexperten in die erste Reihe.

Mit Mehdorn hat die Basta-Politik des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder Einzug in die Flughafengesellschaft gefunden. Dies führt allerdings nicht nur zu klareren Hierarchien, sondern auch zu Problemen. Der Bereichsleiter für die Flughafen-Immobilien, Harald Siegle, bemängelte in einem Schreiben an den bald 72jährigen, das die JUNGE FREIHEIT eingesehen hat, die Unternehmenskultur sei durch Beratungsresistenz, Resignation und Kritiklosigkeit gekennzeichnet. Die Entscheidungsfindung beruhe auf „Bauchgefühl“ und sei „sprunghaft“. Unter Mehdorn herrsche „Aktionismus/Sofortismus ohne angemessene interne Abstimmung und Sachkunde sowie die unkoordinierte parallele Erteilung interner Aufträge“. Der Insider schrieb auch: „Fehlentscheidungen werden nicht revidiert, sondern als Beleg von Führungsstärke ‘entschieden’ durchgesetzt.“ Als Antwort auf seinen Brief erhielt Siegle die Kündigung.

Hauen und Stechen im Aufsichtsgremiun

Unabhängig davon, wie zutreffend diese Analyse ist, veranschaulicht sie das Hauen und Stechen in der Führungsebene. Doch Mehdorn wird weitermachen dürfen. Sein Vertrag endet im März 2016. Niemand rechnet ernsthaft damit, dann Flugzeuge vom BER starten und landen zu sehen. Würde Wowereit ihn abberufen, müßte er eingestehen, der Aufsichtsrat habe auch bei der Besetzung dieser Königspersonalie einen Fehler gemacht. Politisch kann sich der SPD-Politiker das nicht leisten – auch wenn er wohl inzwischen weiß, daß der BER-Geschäftsführer das Projekt nicht wirklich voranbringt. Aber bevor Wowereit hier einen erneuten Wechsel vollzieht, vernichtet er lieber weiterhin jeden Tag mehr als eine Million Euro an Steuergeldern.

BER. Eröffnung zu Pflaumenpfingsten

http://ber.berlin-airport.de/

 

ILA: Wichtige Infos für Luftfahrtfans

Am Dienstag wurde in Schönefeld die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) eröffnet. 1.200 Aussteller aus vierzig Ländern zeigen ihre Produkte auf 250.000 Quadratmetern. Erwartet werden 200.000 Besucher – bis Donnerstag allerdings nur Fachpublikum. Reguläre Eintrittskarten kosten 22 Euro, ermäßigte 14. Kinder unter sechs Jahren kommen umsonst hinein. Geöffnet ist täglich von 10 bis 18 Uhr. Als besonderes Ereignis gilt der Flug eines A350. Weitere 300 Flugzeuge aller Größen- und Altersklassen werden am Himmel zu sehen sein.

Die Bundeswehr präsentiert unter anderem den Kampfhubschrauber Tiger, und die GSG9 zeigt Kampfeinsätze mittels Fallschirmsprung. Die Amerikaner sind mit ihrem großen Transportflugzeug Lockheed Martin C-130 und den Militärhubschraubern Black Hawk und Apache vertreten. (rg)

Zwei Geheimtipps für ILA-Besucher

1. Es gibt einen kostenfreien Shuttlebus von den Bahnhöfen Rudow und Schönefeld – Mitnahme auch ohne Eintrittskarte

2. Wer Tickets vorher online bucht und ausdruckt, spart kostbare Zeit am Eingang

www.ila-berlin.de

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