© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/14 / 23. Mai 2014

Leserbriefe

Zu: „‘Das ist die Hölle, von der ich rede’“, im Gespräch mit Rafael Chirbes, JF 21/14

Die Goldenen Zwanziger

Der spanische Romancier Rafael Chirbes ist zu kurz gesprungen, wenn er im Interview mit Moritz Schwarz behauptet, daß der Kapitalismus heute anstellen könne, was er wolle, weil ihn die Sozialdemokratie nicht mehr interessiere und die Sowjetunion verschwunden sei. Das gilt nicht einmal für Spanien. Denn im ganzen Westen hat ihn mehr oder weniger die Ordnungsmacht der Sozialen Marktwirtschaft geprägt. Hätte die Politik nach dem Zweiten Weltkrieg sich mehr nach deren Muster in den zwanziger Jahren durch christliche Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler hauptsächlich in Deutschland orientiert, wäre es wahrscheinlich nicht zu seiner gegenwärtigen Entartung gekommen – nicht einmal mit dem vorhandenen Personal.

Hans-Bernd Seppi, Velbert

 

 

Zum Leserbrief: „Beispiellose Chance vertan“ von Rene Langner, JF 21/14

Oggersheim, nicht Ostpreußen

Dank dieser Zuschrift, die die unglaubliche Haltung Kohls – dem angeblichen „Kanzler der Wiedervereinigung“ – bezüglich der Rückgabe des nördlichen Teils Ostpreußens an Deutschland in prägnanter Form darstellt. Läge Oggersheim in Ostpreußen, wäre die Entscheidung wohl anders ausgefallen.

Ingrid Retzlaff, Düsseldorf

 

 

Zu: „Rote Roben in Fesseln“ von Gerhard Vierfuss, JF 21/14

Seine Funktion verfehlt

Abgesehen von einigen wenigen Urteilen wie das zur Dreiprozentklausel sind sehr viele Urteile des Bundesverfassungsgerichts demokratieschädlich. Bei allen europarechtlichen Fragen werden massive und ganz offensichtliche Rechtsbrüche übersehen, auch die zwingenden Vorschriften zur Souveränitätsübergabe werden geflissentlich ignoriert. Europa wird folglich auf Rechtsbrüchen und verfassungswidrigen Urteilen errichtet.

Bei innenpolitischen Angelegenheiten hingegen spielen sich die nicht vom Volk gewählten Verfassungsrichter als verfassungsändernder Ersatzgesetzgeber auf, so geschehen beim Bundeswehreinsatz im Innern und bei den skandalösen Urteilen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft. Bei anderen Urteilen wiederum wird sich auf Argumente berufen, die außerhalb des Grundgesetzes liegen, als Beispiel sei nur das viel gescholtene Wunsiedel-Urteil genannt.

Ein Gericht, das auf der einen Seite unser Grundgesetz nicht mehr wirklich gegen die zahlreichen Europarechtsbrüche schützt, auf der anderen Seite die Gewaltenteilung bei innenpolitischen Fragestellungen so massiv verletzt, hat nicht nur seine Funktion verfehlt, sondern ist zu einer gefährlichen Belastung für unsere Demokratie geworden. Es ist unumgänglich, daß das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich reformiert wird.

Klara Schütz, Köln

 

 

Zu: „Hinein in den Bürgerkrieg“ von Christian Vollradt, JF 20/14

Der Schlüssel liegt in Moskau

Die Tatsache, daß OSZE-Beobachter als Geiseln genommen werden können, zeigt, wer hier das Sagen hat. So etwas geht nur mit der Rückendeckung der russischen Regierung. Und die hat ihren Plan, gegen den niemand etwas ausrichten kann: Sie will Teile der Ukraine, möglichst das ganze Land, in den russischen Machtbereich zurückführen. Daran wird Rußland festhalten, ohne oder mit Blutvergießen. Wenn man die Sache bis zu Ende durchdenkt, wird man eine Abtretung ohne Blutvergießen vorziehen müssen. Es ist in Europa schon viel zuviel Blut geflossen. Kampfflugzeuge an die Ostgrenze, Kriegsschiffe im Schwarzen Meer sind reine Drohgebärden, die Moskau nicht beeindrucken. Amerika ist weit entfernt, Westeuropa ist in vieler Hinsicht von Rußland abhängig. Wenn sich die gefangenen OSZE-Beobachter als Gäste bezeichnen, machen sie sich lächerlich, Reisebeschränkungen prominenter Russen und Kontensperrungen zeigen nur, daß Europa kein Gegenmittel gegen die Willkür der Separatisten hat. Die Vorgänge laufen genauso wie im Fall Krim ab, da hilft auch nicht die Berufung auf das Völkerrecht oder irgendwelche Verträge. Es muß an die berüchtigte Feststellung zu Beginn des Ersten Weltkriegs erinnert werden: Im Ernstfall sind Verträge nur ein Fetzen Papier. Ganz offensichtlich liegt der Schlüssel für die Lösung der Angelegenheit in Moskau, und ganz offensichtlich will Moskau zeigen, daß es eine Weltmacht ist, nicht nur die USA und schon gar nicht Europa. Hier sind wirkliche Staatsmänner gefragt, keine bloßen Politiker, und mögen sie noch so guten Willen haben.

Dr. Gustav Krüger, Herrenberg

 

 

Zu: „Ohne Plagiat gibt es keine Wissenschaft“ von Karl Heinzen, JF 20/14

Mit eigenen Augen gesehen

Der Artikel hat mich an mein Staatsexamen in der Augenheilkunde im Jahr 1953 erinnert, das in sehr lockerer Atmosphäre in der Bibliothek der Tübinger Augenklinik stattfand. Dort stand über der Fensterfront über die ganze Wand geschrieben: „Die Wissenschaft, sie ist und bleibt, was einer ab vom andern schreibt; und dennoch ist sie unbestritten ganz erstaunlich fortgeschritten!“ Ich nehme an, der einstmals sehr bekannte und humorvolle Prof. Dr. Wolfgang Stock hat den Satz dort anbringen lassen. Ob er inzwischen dem Zeitgeist weichen mußte?

Dr. Heinrich Schall, Radolfzell/Bodensee

 

 

Zum Schwerpunktthema: „Ist der Islam faschistisch?“, JF 19/14

Keine Auftrittsmöglichkeit

Wir friedlichen Deutschen und Europäer sollten zumindest den Anhängern eines radikalen Islams wie den Salafisten keine Möglichkeit zum Auftreten in unserem Lande geben und sie, wenn notwendig, zurück in ihre Ursprungsländer schicken.

Heinrich Weißkopf, Cuxhaven

 

 

Zu: „Die geballte Faust“ von Jeffrey R. Nyquist, JF 19/14

Die Russen kommen!

Donnerwetter, die Russen kommen! Was für eine „brillante“ Analyse! Wäre die Ausgabe der JF nicht am 2. Mai erschienen, hätte man das Ganze für einen Aprilscherz halten können. Man vertiefe sich nur in die Ausführungen des ehemaligen US-Präsidentenberaters Brzezinski oder lese die Abhandlungen eines Herrn Soros, dann weiß man, wer hier Freund und wer Feind ist.

Hartmut Neuholz, Leverkusen

 

 

Zu: „Sei normal, sei du selbst“ von Ronald Berthold, JF 19/14

Wo ist der Informationswert?

Schon die Überschrift erscheint irreführend. So wird behauptet, 99 Prozent der Menschen liefen „normal herum“. Was soll das heißen? Wo bleibt die Definition des Begriffs „normal“? In meiner Alltagsbeobachtung ziehe ich eher gegenteilige Schlüsse. Auch wird hier nicht klar, ob es um das Modeverhalten der jungen Generation oder das der Allgemeinheit geht. Ebenfalls scheint mir Ihre Polarisierung von Putin und Obama ziemlich abwegig. Und als ob das alles noch nicht genug weit hergeholt wäre, wird für die sogenannten „Normcore“-Klamotten ein „Siegeszug rund um die Welt“ behauptet und die Wiedervereinigung Deutschlands und dessen Nato-Mitgliedschaft mit Helmut Kohls „blaugrauen Zweireihern der Größe XXL“ in einen obskuren Zusammenhang gebracht. Das Ganze erscheint mir sehr verwirrend. Am Ende frage ich mich: Was ist letztlich hier der Informationswert? Eigentlich sehr schade, denn zum Thema Kleidung und Mode ließen sich ja Bände füllen. So wie es aber aussieht, ist der Gag „Normcore“ nicht einmal echter Modetrend und wird sich wohl in Kürze schon wieder in Luft auflösen, wenn es inzwischen nicht schon passiert ist.

Heinz Hochapfel, Zweibrücken

 

 

Zu: „Faule Eier von der Waterkant“ von Thorsten Brückner, JF 18/14

Natürlich zweckentfremdet

Herrn Albig blies wohl am Ostermontag der Seewind zu heftig in Kiel! Schon 1950 wurde die Mineralölsteuer mit 4,5 Pfennig pro Liter Sprit – damals noch zweckgebunden – eingeführt, diese Zweckbindung 1984 wieder aufgehoben. Die wirklichen Ausgaben für Straßenbau waren nämlich nur noch ein Bruchteil der Zwangsabgabe. Mit gleicher Begründung, für die Finanzierung des Straßenbaus, wurden KfZ-Steuer und Lkw-Maut eingeführt. Inzwischen belaufen sich die eingetriebenen Zwangsabgaben auf circa 52 Milliarden Euro, während die Straßenbauausgaben circa 19 Milliarden Euro betragen. Wo ist der Überschuß von zwei Dritteln p.a. geblieben? Für die Mißwirtschaft der Politik ist der Autofahrer aber nicht verantwortlich. So blieb auch der „vorübergehende Soli“ für die neuen Bundesländer – natürlich zweckentfremdet.

Ingeborg Mitteneder, Garmisch

 

 

Zu: „Tiefes Mißtrauen im Industrierevier“ von Billy Six, JF 18/14

Vorbildliche Reportage

Der Bericht ist eine lebensvolle Schilderung des dramatischen Schicksals der Ostukraine. Billy Six ist einer der wenigen Journalisten, der die wirkliche Lage in Donezk beschreibt. Als Augenzeuge hat er den Vorteil, die Situation hautnah zu erleben. Das hingebungsvolle Streben nach der Wahrheit, ihre Verteidigung unabhängig von herrschenden vorgefaßten öffentlichen Meinungen und der Mut, in die gefährlichen Zonen zu gehen und direkt von dort zu berichten, machen den Reporter einzigartig und zu einem Vorbild.

Margarita Henneberg, Bad Frankenhausen

 

 

Zu: „Lügen im Namen des Papstes“ von Gernot Facius, JF 18/14

Wie im Lukasevangelium

Dem Autor sei Dank für die Beleuchtung des unseligen Kardinals Hlond, dessen von Polen gewünschte kirchliche Erhöhung ebenso betroffen macht wie die überstürzte Heiligsprechung des polnischen Papstes. Der agierte medienwirksam, am deutlichsten gewiß mit seinem Beitrag zum Sturz des Kommunismus in Ostmitteleuropa mit kirchlichen Mitteln. Im lautstarken Chor der „Santo!“-Rufe aber wird bis heute eine düstere Strophe übertönt, die mit ihrem dunklen Basso continuo diese lange Amtszeit bis heute trüben kann. Karol Wojtyła hat in 27 Amtsjahren das zwischen den beiden Völkern unter oberflächlicher „Freundschaft“ fortbestehende Krebsgeschwür der mörderischen Deutschenvertreibung 1945 aus altem deutschen Staatsgebiet hartnäckig ignoriert – mit Ausnahme eines allerdings sehr fragwürdigen Grußschreibens von 2003 zum Tag der Heimat nach Berlin. Wie der Priester im Lukasevangelium sah er den Verletzten – und ging vorüber.

Stephanie Heidelmeyer, Alzenau

 

 

Zu: „‘Die Bibel wird demoliert’“, im Gespräch mit Klaus Berger, JF 17/14

Den Respekt verloren

Klaus Berger ist für seine Rundumschläge gegen die historisch-kritische Methode bei der Bibelauslegung bekannt. Doch dieses Interview ist an Dreistigkeit und Unseriosität nicht zu überbieten. Drei Jahrzehnte hat Berger an der Universität Heidelberg Studierende wissenschaftlich in das Neue Testament eingeführt und hat sehr innovativ literaturwissenschaftliche Methoden angewandt und zur Diskussion gestellt. Seine Theologiegeschichte des Neuen Testaments fand zu Recht viel Aufmerksamkeit. Das waren wissenschaftliche Arbeiten, die wichtige Anregungen gaben.

Aber seit etlichen Jahren ist Berger zu einem Geiferer geworden, der blindwütig um sich schlägt. Ich selber, von Haus aus Neutestamentler und seit vielen Jahren als Friedensethiker tätig, betreibe als evangelischer Theologe seit meinem ersten Semester 1967 historisch-kritische Forschung. Wieso mein Glauben darunter leiden soll, verstehe ich nicht. Wenn Berger sagt, dieser wissenschaftliche Zugang würde den Glauben zerstören, dann diffamiert er alle anderen seriösen Wissenschaftler.

Wie kann man als Christ, wie er sich abgrenzend von uns „Historisch-Kritischen“ nennt, anderen den Glauben absprechen, nur weil wir nicht nach seiner Pfeife tanzen? Wie bitte ist beispielsweise zu erklären, daß nach den Evangelien von Markus, Matthäus und Lukas Jesus am Passahfest gekreuzigt wurde, nach Johannes aber einen Tag zuvor? Und wie, daß nach Markus und Matthäus Jesus von Johannes dem Täufer im Jordan, am Rande der Wüste getauft wurde, nach Lukas aber erst nach der Verhaftung des Täufers – also wohl vom Gefängnis aus? Wie anders als durch die historisch-kritische Forschung können diese Ungereimtheiten, von denen es Hunderte gibt, erklärt werden?

Die Auferstehung Jesu sei so real wie Schmerz und Tod, schreibt Berger. Das ist absurd, widerspricht dem neutestamentlichen Befund. Wir leben im Glauben, nicht im Schauen. Die neutesta­mentlichen Autoren haben Mühe, die Auferstehung glaubhaft zu machen, auch Paulus. Zuletzt: Die Jungfrauengeburt Jesu, für die Berger vehement eintritt. Offenbar nimmt er nicht zur Kenntnis, daß das älteste Evangelium, Markus, von der Jungfrauengeburt nichts weiß. Das neutestamentliche Zeugnis läßt in den alten Überlieferungen einen Gedanken daran nicht aufkommen. Erst Lukas hat Jahrzehnte später mit seiner kunstvoll komponierten und erzählerisch glanzvollen Vorgeschichte Maria, die Mutter Jesu, auf ein Podest gestellt. Mit meinem Glauben an Jesus als Erlöser der Menschheit hat das nichts zu tun.

Außerdem brechen schon seit Jahrzehnten viele Theologiestudenten ihr Studium ab. Die Gründe liegen auf der Hand: Die allermeisten sind von der Weite des Stoffes und den hohen Ansprüchen eines wissenschaftlichen Studiums überfordert und würden in jedem anderen wissenschaftlichen Fach auch scheitern. Klaus Berger hat den Respekt vor denen verloren, die sich Tag für Tag mit Ernst bemühen, das Neue Testament auf wissenschaftlichem Niveau auszulegen und die vielfältigen Glaubenszeugnisse auch in der aktuellen Verkündigung zum Leuchten zu bringen.

Gerhard Arnold, Würzburg

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