© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/14 / 30. Mai 2014

Zeitschriftenkritik: Zeitensprünge
Karl der Fiktive
Werner Olles

Die im Buchformat seit 1989 dreimal jährlich erscheinende Zeitschrift Zeitensprünge versteht sich als „interdisziplinäres Bulletin“ und präsentiert in jeder Ausgabe Berichte zu Chronologie, Katastrophismus, Evolution und Zivilisationsforschung. Dabei reicht die Themenauswahl von der Rekonstruktion eines konsistenten Geschichtsbildes für Vorzeit, Antike und Mittelalter über die Erklärung wesentlicher Kulturerrungenschaften weit hinein in die Naturwissenschaften, Mythenforschung und Psychologie. Bis 1994 nannte sich die von Heribert Illig edierte und redigierte Zeitschrift Vorzeit – Frühzeit – Gegenwart.

Die aktuelle Ausgabe der Zeitensprünge (1/2014) beschäftigt sich in ihrer Titelgeschichte mit dem 1200. Todestag Karls des Großen. Über das Karlsjahr schreibt Illig in seinem Editorial, daß es selten ein solches Aufheben gegeben habe. Allein Aachen prunke mit drei Ausstellungen, rund hundert Vorträgen und weiteren Veranstaltungen, und im Archäologischen Museum nahe der Süderelbe, früher als Helms-Museum in Hamburg-Harburg bekannt, wird gar ein altes Ausgrabungsergebnis von 2006 in sein Gegenteil umgekrempelt und „mit Gewalt karolingisiert“ (Heribert Illig), was der Herausgeber launig mit dem trefflichen Titel „Hammaburg – Hamburg – Humbug“ überschreibt.

Aus der Fülle von Illigs Rezensionen der langen Bücherliste von Biographien oder biographischen Romanen über die Karls- oder Karolingerzeit ragt Johannes Frieds umfangreiche Arbeit über den Jubilar heraus. „Der beste deutsch schreibende Mediävist“ (Illig) habe nicht nur die Schriftquellen sehr kritisch beäugt und damit zahlreiche Kollegen düpiert, sondern schließlich auch eingestanden: „Karls Leben mit all seinen Werken verschließt sich uns.“

Dennoch unterliegt auch Frieds Werk Illigs kritischer Sicht, wenn er etwa dem „über die manipulierenden Impulse frühmittelalterlicher Geschichtsschreibung“ oder „über ein verzerrendes Ergebnisprotokoll“ memorierenden Autor konzediert, eine „wunderschöne Karls-Fiktion“ und „ein großes Buch“ geschrieben zu haben. Es habe den von der Mediävistik vorgesehenen Rahmen „trefflich ausfüllt“, letztlich aber doch so viele Fragen offengelassen, daß sich die These von „Karl dem Fiktiven“ unverändert behaupte.

Mit der „Christianisierung im Mittelalter“ befaßt sich ein Beitrag von Andreas Otte, der sich auf eine große Kunstausstellung im Jahr 2013 in Paderborn bezieht. Nachgewiesene Fälschungen, die mit den archäologischen Funden teilweise im Widerspruch stünden, ließen den Rahmen, den die Chroniken und Urkunden aufspannen, unangetastet, wodurch viele Einzelheiten noch unklarer erschienen. Vom gleichen Autor stammt auch ein interessanter Aufsatz über ungewöhnliche Funde in und an Saurier-Fossilien, der die Forscher vor die Frage stellt, ob die Dinosaurier wirklich viele Millionen Jahre alt sind oder aber doch viel jüngeren Ursprungs.

Kontakt: Mantis Verlag, Lenbachstr. 2 a, 82166 Gräfelfing, Telefon: 089 / 87 88 06. Das Einzelheft kostet 13,70 Euro, ein Jahresabonnement 40 Euro.

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