© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/14 / 30. Mai 2014

Klüngelrunde der Weltfinanz-AG
Seit 60 Jahren tagen die Bilderberger: Der Einfluß der Geheimkonferenz auf die Politik ist bis heute ein gut gehütetes Geheimnis
Mario Kandil

Über Bilderberg als Kartell der Macht existieren zahlreiche Verschwörungstheorien, denn wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel zu diesem Thema einmal süffisant anmerkte: „Wenn Macht und Geld im Spiel sind, kennt die Phantasie keine Grenzen.“ Doch kann man alles, was über die Bilderberger publiziert wird, als Hirngespinst abstempeln?

Jozef Retinger, im Zweiten Weltkrieg Berater der polnischen Exilregierung in London, war derjenige, von dem die Initialzündung zur Bilderberg-Konferenz ausging. Nach dem Krieg knüpfte er, der jetzt ein Vertrauter von Belgiens Ministerpräsident Paul van Zeeland und dazu Förderer der „Europäischen Bewegung“ war, Kontakte in die USA. Diese förderten im Kalten Krieg diese Gruppe finanziell im besonderen Maße – galt es doch, Europa nach Möglichkeit vor dem totalen Zugriff Stalins zu bewahren. Vermehrt gab es nun inoffizielle und vertrauliche Treffen zwischen europäischen und US-Politikern und Wirtschaftsführern, die nach Ansicht Paul van Zeelands – inzwischen Präsident der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – institutionalisiert werden sollten. Als Symbolfigur für diesen transatlantischen Dialog ließ sich Prinz Bernhard der Niederlande gewinnen. Und der konnte gemeinsam mit Retinger so bedeutende Akteure wie Italiens Ministerpräsidenten Alcide de Gasperi oder US-Amerikaner wie David Rockefeller und Dean Rusk (damals Direktor der Rockefeller-Stiftung und 1961–1969 US-Außenminister) rekrutieren.

Angeblich Hirngespinst von Verschwörungstheoretikern

Dennoch dauerte es bis zum 29. Mai 1954, ehe der niederländische Prinz Bernhard im „Hotel de Bilderberg“ in Oosterbeek die erste Konferenz eröffnen konnte. Seitdem heißen die Zusammenkünfte einflußreicher Personen aus Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Adel „Bilderberg-Konferenzen“, obgleich die Tagungsorte immer wechseln. Einmal im Jahr abgehalten, gibt es die Bilderberg-Tagung, meist in Europa, aber ab und an auch in Nordamerika.

Die meist drei Tage dauernden Konferenzen, deren in der Regel etwa 130 Teilnehmer eingeladen werden besitzen, festgeschriebene Strukturen. Die Leitung liegt in den Händen eines in seiner Arbeit durch zwei Generalsekretäre unterstützten Vorsitzenden. Neben diesem sind der achtköpfige Lenkungsausschuß und das Beratungsgremium von besonderer Bedeutung. Diese Organe überlassen bei der Teilnehmerauswahl ebensowenig etwas dem Zufall wie bei der Geheimhaltung gegenüber der Öffentlichkeit. So gibt es keine Abschlußerklärung, und ein Tagungsprotokoll erhalten nur die Teilnehmer.

Es ist eine mit der Realität nicht übereinstimmende Untertreibung, wenn Spiegel-Autor Nicolai Kwasniewski feststellt, daß die Geheimhaltung bei Bilderberg-Tagungen „nicht strenger als bei vielen anderen Konferenzen“ sei. Die Geheimniskrämerei wurde bis zu Beginn dieses Jahrhunderts derart exzessiv betrieben, daß man annehmen mußte, diese Konferenz gebe es gar nicht. Dank investigativer Journalisten wie Alex Jones oder Alexander Benesch war es aber irgendwann unmöglich geworden, die Existenz von Bilderberg zu negieren. Wegen deren Recherchen, und nicht zuletzt durch Informationswege des Internets, können die Konferenzen seitdem nicht länger als Hirngespinst von Verschwörungstheoretikern abgetan werden.

Seit dieser Zeit überwiegt in vielen Darstellungen zu den Bilderbergern die Einschätzung, daß es sich um nicht viel mehr als ein völlig unverbindliches Treffen von Politikern handele. Auch die mittlerweile existierende Internetpräsenz der Bilderberger wird nicht müde, diesen Charakter zu betonen: „Es gibt keine detaillierte Agenda, keine Entschließungen werden vorgeschlagen, keine Abstimmungen werden vorgenommen, und keine politischen Stellungnahmen werden herausgegeben.“

Natürlich sind die Bilderberger nicht die Weltregierung – obwohl Großbritanniens ehemaliger Verteidigungsminister (1964–1970) und Schatzkanzler (1974–1979) Denis Healey, Urgestein der Labour-Party und Bilderberg-Mitgründer, gegenüber dem englischen Journalisten und Buchautor Jon Ronson äußerte: „Zu sagen, wir würden eine Eine-Welt-Regierung anstreben, ist übertrieben, aber auch nicht völlig ungerechtfertigt.“ Relativiert lautet es in Healeys Worten so: „Wir setzen Ansichten durch (...) Das erhöht die Chance auf eine vernünftige, weltweite Politik.“ Angesichts von Deutschlands Rolle als Juniorpartner der USA wäre die Annahme vermessen, Politiker wie Christian Lindner von der FDP als Mitglied der „Atlantik-Brücke“ oder Kurt Joachim Lauk von der CDU als Mitglied der „Trilateralen Kommission“ dürften bei Entscheidungen über das Los der Welt mitwirken. Vielmehr ist es so, daß solche globalen Statisten auf der Konferenz einen Blick auf die Agenda werfen dürfen und ansonsten Polit-Talenten das Feld überlassen müssen.

Der zweite Frühling des „Bankenretters“ Steinbrück

So nahm der mittlerweile in die zweite Reihe gerückte SPD-Politiker und „Bankenretter“ von 2008, Peer Steinbrück, an der Bilderberger-Konferenz in St. Moritz 2011 teil. Trotz der Tatsache, daß er 2012 von einem politischen Fettnäpfchen ins nächste stolperte und seine Niederlage bei der Bundestagswahl 2013 fast vorprogrammiert schien, schrieben einige bundesdeutsche Leitmedien ihn massiv nach oben. Insbesondere die Zeit tat sich dadurch hervor, unkritische Porträts des Kandidaten und eisernen Streiters für das Geldmonopol der EZB ins Blatt zu hieven und jede Kritik auszublenden. Natürlich ist der Nachweis nicht handfest zu erbringen, ob es damit zusammenhing, daß mit Matthias Naß der „Internationale Korrespondent“ der Zeit an derselben Konferenz in St. Moritz teilnahm – bemerkenswert ist es aber schon.

Daß auch Vertreter der politischen Opposition wie der Grüne Jürgen Trittin 2012 an der Bilderberg-Tagung in Chantilly (USA) teilnehmen durften, ist in diesem Kontext jedenfalls nicht ungewöhnlich. Schließlich gilt der frühere Bundesumweltminister (1998–2005) nach wie vor als „graue Eminenz“ seiner Partei, die in Fragen von Bankenrettung, weltweit kontrolliertem Steuersystem und einer politischen Vision der „Vereinigten Staaten von Europa“ ohnehin nicht als Opposition gelten kann.

www.bilderbergmeetings.org/

Foto: Der niederländische Prinz Bernhard und SPD-Fraktionschef Helmut Schmidt 1967 beim Treffen in Cambridge. Später wurde bekannt, daß es die Bilderberg-Konferenz war: Einfluß auf Polittalente nehmen

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