© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/14 / 30. Mai 2014

Helm ab nur zum Gebet
Wer schön sein will, muß eben leiden: Mit Kopfschutz in jedem „Fall“ auf der sicheren Seite bei einem Sturz mit dem Rennrad
Markus Brandstetter

Es war einmal ein König, der liebte Italien so sehr, daß er sich in der Pfalz, die damals noch zu Bayern gehörte, eine italienische Villa erbauen ließ. Die Rede ist von König Ludwig I. Das war der, der mit Lola Montez eine dermaßen heiße Affäre hatte, daß sie den Fortbestand der Monarchie in Bayern gefährdete. Lola Montez, der König und die bayerische Monarchie sind längst Geschichte, aber die Villa steht immer noch, hoch oben auf einem Hügel an den Abhängen des Pfälzerwaldes.

Die Straße, die von der Villa hinunter in die Ebene führt, ist steil und abschüssig, und wer sein Rad hier laufen läßt, der kommt auf 50 Stundenkilometer. Für den Autor dieser Zeilen kein Problem, reitet er doch jedes Jahr ein paar tausend Kilometer auf dem Drahtesel, und Bayer ist er auch noch, also kann er so schnell fahren wie er will, denn der Herrgott wird seine schützende Hand über ihn ausstrecken, wie es in der Bayern-Hymne heißt.

An diesem Tag aber pese ich mit 50 Kilometern in der Stunde zu Tale, passe einen Moment lang nicht auf, komme von der Teerstraße ab, gerate auf die Bankette, komme dort in heftigste Schlingerbewegungen, die das Vorderrad, das so etwas nicht mag, mit Dienstverweigerung quittiert! Als tollkühner Raser überschlage ich mich also, fliege in einem wenig eleganten Salto über die Lenkstange und schlage einige Meter vor meinem Rad auf der Straße auf.

Da ich als Bayer den Boden der ehemals bayerischen Pfalz so sehr liebe, bleibe ich einige Minuten lang liegen und schaue in den weißblauen Himmel. Als die Schaulustigen um mich sich zerstreut haben und ich festgestellt habe, daß ich noch lebe, stehe ich vorsichtig auf.

Die Welt steht noch. Aber mein Rad nicht. Das Modell einer österreichischen Edelschmiede hat sich in den letzten Sekunden in eine vielfach gebogene moderne Plastik verwandelt, die dem Betrachter zeigt, was man aus einem modernen Aluminiumrad alles machen kann.

Die Hände des Gestürzten stecken in Fahrradhandschuhen mit Ledereinsätzen, und das war ihr Glück, denn die ledernen Handflächen sind bis auf den Grund durchgerieben. Der Kopf des Berichterstatters, der Tausende von Lateinvokabeln, die gesammelten Werke von Goethe und Schiller und sogar die Verkehrsregeln treulich abgespeichert hat, kann sich erfreulicherweise an all das noch erinnern – aber nur, weil er in einem Helm steckte, der auch noch Testsieger war.

Schürfwunden, Rad kaputt, doch der Kopf heil

Der Helm sieht aus, als hätte er den Kampf mit der Landstraße beinahe verloren, aber zu meiner großen Freude hat er durchgehalten. Er ist lediglich total verschrammt, aber dieser Zustand ist es, den jeder Helm in seinem Innersten anstrebt.

Für Arme und Knie gibt es keine Helme, weshalb diese Körperteile den Kontakt mit dem Straßensplit ohne Schonung hinter sich bringen mußten, was zu eindrucksvollen Schürfwunden geführt hat. Als ich ein Kind war, lernte ich, daß Indianer keinen Schmerz kennen, und diese Regel nehme ich mir jetzt zu Herzen, beruhige meine um mich stehende Familie, kette mein zerstörtes Trekkingrad an einen Baum und fahre mit meinem Sohn auf dessen Rad vorsichtiger als zuvor nach Hause.

Auf dem Weg fällt mir doch ein, daß irgendein Professor an irgend­einer unbedeutenden Universität vor kurzem bewiesen zu haben glaubte, daß Fahrradhelme nicht sinnvoll seien und sich darüber auch noch in der Zeitung verbreitete, hinter der früher immer ein kluger Kopf steckte. Wie gut, denkt der glimpflich Davongekommene, daß er nicht auf den Schmarrn gehört hat.

http://www.schuetze-dein-bestes.de

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