© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Auf keinen Fall vielleicht ja doch
Abgrenzungsdebatte: Während die Union eifrig über ihr Verhältnis zur AfD diskutiert, bleibt eine groß angekündigte Austrittswelle aus
Marcus Schmidt

Die Liste wird immer länger. Wolfgang Bosbach, Erika Steinbach, Volker Kauder, Peter Tauber, Volker Bouffier: Seit der Europawahl ist kaum ein Tag vergangen, an dem sich nicht irgendein CDU-Politiker zur AfD geäußert hat. Während die frisch gewählten Europaabgeordneten der AfD um Parteichef Bernd Lucke erstmals Brüsseler Luft schnupperten und sich darum bemühten, in eine gemeinsame Fraktion mit den britischen Torys aufgenommen zu werden (eine Entscheidung stand bei Redaktionsschluß noch aus), versuchte die Union, ihr Verhältnis zur AfD zu klären.

In der CDU wird die Strategie, die neue Partei einfach zu ignorieren, mittlerweile als gescheitert angesehen. Während die einen nun die Union klar von der AfD abgrenzen wollen und eine Zusammenarbeit ausschließen, wollen sich andere diese Möglichkeit ausdrücklich offenhalten.

Für die erste Position steht Generalsekretär Peter Tauber – und damit CDU-Chefin Angela Merkel. „Die AfD ist keine normale bürgerliche Kraft, sondern fischt sowohl mit ihrer Wortwahl als auch ihren Inhalten am rechtsextremen Rand“, sagte Tauber am Montag. „Die AfD ist gegen die Westbindung und will den Euro abschaffen. Wer mit der AfD zusammenarbeiten will, tritt somit das politische Erbe Konrad Adenauers und Helmut Kohls mit den Füßen.“ Daß mit dieser deutlichen Ansage die innerparteiliche Diskussion beendet ist, darf allerdings bezweifelt werden.

Vor allem die zum konservativen Berliner Kreis der CDU gehörenden Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach und Wolfgang Bosbach hatten zuvor eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht grundsätzlich ausgeschlossen. „Die AfD ist nach meinen Beobachtungen eine rechtsstaatliche, demokratische Gruppierung und damit ebenso unser Konkurrent wie unser möglicher Partner“, sagte Steinbach dem Spiegel. Selbst bei Befürwortern eines scharfen Abgrenzungskurses sorgten die Äußerungen von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder, er wolle nicht gemeinsam mit AfD-Politikern in Talkshows auftreten, für Kopfschütteln. „Ich würde mit der AfD diskutieren“, sagte dagegen im ZDF Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen – wie Kauder keine AfD-Sympathisantin.

„Deutliche Hinweise auf Protestwahlmotive“

Die für die Verhältnisse der Merkel-CDU äußerst lebhafte Diskussion zeigt, für wie gravierend der Erfolg der AfD bei der Europawahl in der Union gehalten wird. Auf der inhaltlichen Ebene zeichnet sich unterdessen die Strategie ab, der AfD zu unterstellen, es handele sich um eine „Abrißpartei“, die nur sage, was sie nicht wolle. Dazu paßt die Wahlanalyse der Konrad-Adenauer-Stiftung. „Bei der Anhängerschaft der AfD gibt es deutliche Hinweise auf Protestwahlmotive. Während die Mehrheit von 67 Prozent aller Wähler die jeweilige Partei aus Überzeugung heraus wählt, sagt dies gerade einmal ein Drittel der AfD-Anhänger. Das bedeutet, daß 60 Prozent ‘Enttäuschung’ von einer anderen Partei als Hauptwahlmotiv angeben“, heißt es in der Analyse.

Die AfD reagierte gelassen auf die Abgrenzungsdebatte in der Union. AfD-Vize Alexander Gauland erinnerte daran, daß bereits in den achtziger Jahren der Versuch von CDU und SPD, die Grünen totzuschweigen und auszugrenzen fehlgeschlagen sei. „Gespräche wurden politisch unterbunden und Parteifreunde die das anders sahen, ins Abseits gestellt“, sagte der frühere CDU-Politiker. Doch das habe nicht funktioniert. „Die Menschen lassen sich nicht Parteien verbieten, die ihre Probleme aufgreifen, nur weil es den Staatsparteien nicht gefällt“, äußerte Gauland.

Fast vergessen ist angesichts dieser Debatte die Aufregung um eine angeblich bevorstehende Spaltung der AfD. Die Zeit hatte in der vergangenen Woche berichtet, der liberale Flügel der AfD wolle sich abspalten. Alexander Dilger, der Vorsitzende der von der früheren AfD-Pressesprecherin Dagmar Metzger mitgegründeten „Liberalen Vereinigung“, einem Sammelbecken von liberalen AfD-Mitgliedern, dementierte den Bericht umgehend. Dilger bezichtigte mehrere Vorstandsmitglieder der Vereinigung, die er mittlerweile wieder verlassen hat, ihm als auch der AfD gegenüber illoyal gewesen zu sein. Der von der Zeit angekündigte Massenaustritt blieb unterdessen aus.

Kommentar Seite 2

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