© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Grüße aus Madrid
Ausgerechnet jetzt
Michael Ludwig

Obwohl manch Spanier damit rechnete, kam es für viele überraschend, so auch für Sergio, der eine kleine Bar in Madrid betreibt. „Nun gut, er ist schließlich auch schon 76, und mit seiner Gesundheit steht es wahrlich nicht zum besten“, kommentiert er die Abdankung von König Juan Carlos, „aber ich habe nicht gedacht, daß er ausgerechnet jetzt das Handtuch wirft.“ Sergio zuckt mit den Schultern. Doch weit mehr als die Tatsache, daß der Monarch nun seinem Sohn Felipe Platz machen wird, beschäftige ihn sein Kampf, inmitten der Krise wirtschaftlich zu überleben.

In einer knapp zehnminütigen Fernsehansprache legte Juan Carlos seine Beweggründe für diesen Schritt dar. Er verzichte auf die Krone, damit eine Erneuerung möglich sei. „Eine neue Generation“, so der Monarch, „fordert zu Recht, an erster Stelle zu stehen“. Sein Sohn habe „die Reife, die Ausbildung und das nötige Verantwortungsbewußtsein“, um an die Spitze des Landes zu treten.

Der Spott über den Schürzenjäger ist längst verblichen. Nun kommt der Farblose.

Mit Juan Carlos geht ein Staatsoberhaupt, dessen Lebensweg von Licht und Schatten gezeichnet war. Zieht man nach den 39 Jahren seiner Regentschaft Bilanz, so ist auf der politischen Seite seiner Tätigkeit weit mehr Sonnenschein auszumachen als auf der privaten – er verstand es lange Zeit, das Land zu einen.

Als 1981 Putschisten versuchten, die Demokratie aus den Angeln zu heben, stellte er sich mutig gegen sie. Der Staatsstreich brach in sich zusammen. Auf unzähligen Auslandsreisen warb er, durchaus erfolgreich, für Aufträge zugunsten der spanischen Industrie.

Juan Carlos galt als ausgesprochener Schürzenjäger, dessen diverse Abenteuer seine Landsleute mit spöttischen Bemerkungen kommentierten, beispielsweise mit dieser: „Ich hoffe, daß unser König einmal friedlich und ohne Schmerzen im Bett sterben wird“, sagt A., worauf D. trocken antwortet: „Hoffentlich im eigenen.“ Tierliebhaber verübelten dem Ehrenpräsidenten der Natur- und Artenschutzorganisation WWF dessen Begeisterung für die Elefantenjagd. Der Korruptionsskandal um seinen Schwiegersohn Inaki Urdangarin stürzte die Monarchie in eine tiefe Vertrauenskrise.

In Erinnerung werden aber auch die Volkstümlichkeit und der Humor von Juan Carlos bleiben, die Felipe weitgehend fehlen. Der 46jährige gilt als etwas trocken und farblos, was wohl dem Erbteil seiner Mutter Sophia von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg geschuldet ist.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen