© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/14 / 06. Juni 2014

Der Flaneur
Sieben Tage Regenwetter
Toni Roidl

Schon der siebte Tag! Seit einer Woche regnet es ununterbrochen. Mal stärker, mal schwächer, aber ohne Pause. Sieben Tage wie eine biblische Plage. Der Himmel hängt bleigrau und tief. Das Wetter sediert, man könnte den ganzen Tag verdösen wie die Katze auf der Fensterbank.

Rund um die Uhr hört man das Trommeln der Tropfen auf den Dachfenstern. Sieben Regentage sind kaum auszuhalten. Die familiäre Atmosphäre lädt sich mit Spannung. Die Kinder wissen nicht mehr wohin mit ihrem Bewegungsdrang. Ich muß einfach raus. Nässeschutzhose, Regenjacke, Gummistiefel und Filzhut werden aus dem Keller gekramt.

Die Überschwemmungswiesen bilden eine Seenplatte. Reiher waten umher.

Der Regen hat die Topographie verändert. Gräben am Feldrand sind zu Bächen geschwollen. Pfützen haben sich in Teiche verwandelt. Manche Senke ist nicht mehr passierbar. Die Kornfelder liegen plattgedrückt wie Haare unterm Helm.

Die Perkussion des Regens verfolgt mich vom Hausdach und Autodach bis unters Blätterdach. Die Vögel bleiben still. Bei jedem Schritt durch die Pfützen schlägt das Wasser über dem Spann meiner Gummistiefel zusammen, als wären es Boote, die von der See verschlungen werden.

Die Überschwemmungswiesen bilden eine Seenplatte. Reiher waten umher. Früher steckte das Flüßchen hier in einer Betonrinne aus den siebziger Jahren. Das führte zu regelmäßigen Überschwemmungen der Landstraße, bis die Auen für viel Geld in den alten Zustand zurückversetzt wurden. Der Steuerzahler hat für die Dummheit der Planer zweimal bezahlt.

Wenn ich den Kopf neige, pladdert das Wasser in einem Sturzbach aus meinem Hut. Meine alte löchrige Wachsjacke hat gegen die Dauerberegnung verloren. Ich spüre Feuchtigkeit auf den Schultern. Rückmarsch. Für morgen hat der Wetterbericht Besserung versprochen. Na, hoffen wir’s.

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