© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/14 / 13. Juni 2014

Eisenbergs schwerste Stunde
Arbeitsrechtsstreit: So lief die Verhandlung zwischen dem abgelehnten Bewerber und der „taz“ wirklich
Ronald Gläser

Sichtbar schlecht gelaunt betritt Johannes Eisenberg den Verhandlungssaal 222 im Arbeitsgericht Berlin. Es ist Donnerstag, der 5. Juni. Der Mitbegründer und Hausanwalt der taz ahnt, was ihm bevorsteht. Seine Prognose ist zutreffend. Richter Michael Ernst begrüßt den sonst erfolgsverwöhnten Anwalt mit den Worten: „Der Prozeß nervt, was? Naja, jeder Prozeß nervt.“ Eisenberg atmet tief durch. Diesmal noch.

Eisenberg („Ich führe meine Prozesse ohnehin mit einer ungesunden Härte für die Gegner“) und seine zwei Begleiter sitzen links vor dem Richter. Rechts, einsam und unscheinbar, ein junger Mann: Igor S., ukrainischer Staatsbürger und angehender Journalist. S. hat sich bei der taz, genauer gesagt, bei der verlagsnahen Panterstiftung, als Volontär beworben. Überschrift der Stellenanzeige: „Volontärin gesucht!“ Im Text hieß es, die Stiftung finanziere „eine taz-Volontariatsstelle für eine Frau mit Migrationsgeschichte“.

Unter den 100 Bewerbern war auch Igor S., der prompt eine Ablehnung erhielt. Begründung: Er sei ein Mann und habe sich auf die eine Stelle beworben, die nur für Frauen gedacht sei.

Er klagte. Im März wurde erstmals verhandelt. Der Richter gab der taz auf, sie solle nachweisen, daß es einen speziellen Nachholbedarf bei Journalistinnen mit Migrationshintergrund gebe.

Zur neuen Verhandlung händigen die Anwälte nun dem Richter und dem Kläger einen längeren Schriftsatz aus. Doch dieser überzeugt nicht. Richter Ernst beginnt seine Ausführungen mit dieser süffisanten Bemerkung: „Überraschend nehme ich zur Kenntnis, daß der Frauenanteil bei der taz so niedrig ist, daß man fast von Diskriminierung reden könnte.“ Eisenberg kontert ungeduldig: „Das wollen wir ja ändern.“

Natürlich kann von einer Frauendiskriminierung bei der taz keine Rede sein. Die derzeitige Chefin, Ines Pohl, ist eine Frau. Ebenso wie ihre Vorgängerin Bascha Mika. Auch der Arbeitsrichter läßt sich kein X für ein U vormachen.

Er läßt gleich durchblicken, wie er zu entscheiden gedenkt: „Ein absoluter Ausschluß ist auch nach dem Bundesgerichtshof unzulässig. Sie schließen ihn aus, nur weil er ein Mann ist, und das geht nicht.“ Rumms. Eisenbergs Mundwinkel zeigen nach unten.

„Insbesondere im Volontärsbereich gibt es keine Unterrepräsentanz“, so der Richter weiter. Die Bezugsgröße sei falsch, wenn die taz einen Mann als Volontär ablehne und dies mit einem Mangel an weiblichen Führungskräften begründe. „Sie grenzen per se aus.“ Doch Richter Ernst ist mit seiner vorweggenommenen Begründung noch nicht am Ende. Schließlich fordert er die taz-Vertreter auf: „Fangen Sie bei der taz mal damit an, und fördern Sie mal Frauen.“ Seine Ausführungen, so Ernst, seien indes nicht neu. Dies stehe schließlich in jedem Kommentar.

„In meinem Gerichtssaal rede ich, wann ich will“

Dermaßen abgewatscht poltert Eisenberg, der nicht mehr mit einem akzeptablen Urteil rechnen kann, zurück. „Hier sitzen ja auch nur Männer“, sagt er und zeigt auf das Gericht. Der Richter blickt daraufhin auf das Schreiben von Eisenbergs Kanzlei: „Auf Ihrem Briefkopf stehen ja auch nur welche.“ Mit dem Finger geht er die Namensliste durch. Eisenberg, jetzt in Rage: „Mit den Augen haben Sie also auch noch was.“ Der Richter verdattert: „Ah so. Das ist ja doch eine Frau.“

Die Fronten sind jetzt abgesteckt. Es ist eine skurrile Szene, die sich so selten in deutschen Gerichtssälen abspielt. Die anderen Richter und der Protokollführer schauen betreten. Igor S. versteht die Welt nicht mehr. Sollte es nicht um ihn gehen? Um seinen Fall? Jetzt ist eine Art Männerfeindschaft daraus geworden. Sein Glück.

Eisenberg gibt nun mehrfach zu Protokoll, er wolle sofort ein Urteil und sei zu keinem Vergleich bereit. Ernst belehrt ihn, daß es eine Bandbreite von bis zu drei Monatsgehältern als Entschädigung für einen diskriminierten Bewerber gebe. Daraufhin giftet Eisenberg gegen den Kläger. Dieser sei ein Langzeitstudent mit wenig Zeit. Klingt nach „ungesunder Härte für den Gegner“.

Noch bevor Igor S. etwas entgegnen kann, schimpft der Richter: „Sie müssen jetzt nicht beleidigend sein. Ihr Schriftsatz ist diskreditierend genug.“ S. zaghaft zum Richter: „Bitte berücksichtigen Sie diese Beleidigungen in Ihrem Urteil.“

Wieder redet Eisenberg dazwischen. Der Richter ermahnt ihn zur Ordnung: „In meinem Gerichtssaal rede ich, wann und so lange ich will.“ Die Verhandlung geht zu Ende. Es ist klar, daß die taz den Prozeß verliert. Eisenberg rennt aus dem Verhandlungssaal. Richter Ernst sagt „auf Wiedersehen“ und murmelt dann, manchmal sage er das ungern. Die taz-Leute ziehen unzufrieden von dannen.

Das Urteil ist die Höchststrafe, die in solchen Fällen vorgesehen ist: Drei Monatsgehälter muß der Verlag S. zahlen. Ein Volontär verdient bei der taz nur 903,15 brutto im Monat, so daß der Ukrainer mit gut 2.700 Euro rechnen kann.

Wer vermutet hatte, Verlag und Bewerber hätten sich klammheimlich auf diesen Prozeß geeinigt, um einen Präzedenzfall zu schaffen oder um auszuloten, wie männerdiskriminierend das sogenannte Gleichstellungsgesetz ausgelegt werden kann, wurde durch den Verhandlungsverlauf eines Bessseren belehrt. Beiden Seiten war es sehr ernst. Kläger S. gab sich auch nach seinem Sieg noch sehr empört: „Der Verlag versucht mich nicht nur zu diskriminieren, sondern auch zu diskreditieren.“

Die taz hat angekündigt, gegen das Urtei keine Berufung einlegen zu wollen. Das hätte wohl auch wenig Sinn. Vielmehr wird der Verlag jetzt zahlen – und den Text künftiger Stellenanzeigen ändern.

Foto: Kläger Igor S., Verlagsgebäude der „taz“: Eine Volontärsstelle sollte extra für eine Ausländerin sein

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