© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Katrin Suder. Wird die grünennahe Expertin neue Staatssekretärin bei von der Leyen?
Die Geheimwaffe
Christian Vollradt

Kreuzberg und McKinsey – was für ein Gegensatz: Hier Berlins Stadtteil, dem immer noch der Ruf vorauseilt, eine Oase der Widerborstigen zu sein, die sich der kapitalistischen Wertschöpfungskette entgegenstellen, ein Biotop gesellschaftlicher Minderheiten. Dort die Wirtschaftsberatungsgesellschaft, der das Odium des gnadenlosen Sanierers anhängt, deren hochbezahlte Mitarbeiter sich – so Kritiker der Branche – „wie ein Rudel hungriger Wölfe“ über einen Hühnerstall hermachen. Soweit das Klischee. In Wahrheit sind Kreuzberg und McKinsey kein Widerspruch mehr, im Gegenteil. Der Bezirk ist längst nicht mehr das Mekka der Bummelanten, sondern – neudeutsch: gentrifiziert – Zentrum der Bio-Bourgoisie; und die Berater schwärmen unter dem Schlagwort „Diversität“ längst für alternative Lebensentwürfe in Unternehmen.

Katrin Suder verkörpert diese Symbiose. Die Leiterin der Berliner McKinsey-Dependance und gerüchteweise künftige Staatssekretärin im Verteidigungsministerium lebt in Kreuzberg, gemeinsam mit ihrer Partnerin und zwei Kindern. Den Nachwuchs der Regenbogenfamilie fährt Suder keineswegs im „Business“-typischen Oberklassefahrzeug, sondern – typisch Kreuzberg – in einem dänischen Lastenfahrrad. Die 42jährige gebürtige Mainzerin ist parteilos, aber grünennah. Zum Beratungskonzern kam die promovierte Physikerin, nachdem andere Firmen sie wegen Überqualifikation abgelehnt hatten, so Suder recht unbescheiden. Dort ist sie derzeit die einzige Direktorin, betraut unter anderem mit dem Mandat für den Stammkunden Telekom und zuständig für das Geschäft mit der öffentlichen Hand. Bevor Ursula von der Leyen sie zur Wunschkandidatin für den Posten der beamteten Staatssekretärin kürte, wurde Suder schon als Anwärterin für den Chefsessel bei McKinsey Deutschland gehandelt.

Daß sich „Frauenpower“ positiv auf eine Firma auswirkt, ist Suders Credo. Ihr Name steht unter einer – wissenschaftlich umstrittenen – McKinsey-Studie von 2007 mit dem Titel „A Wake Up Call for Female Leadership in Europe“, genau wie der der damaligen Grünen-, heutigen Piraten-Politikerin Anke Domscheit-Berg. Deren Lobby-Initiative für eine Frauenquote in Aufsichtsräten, für die sich auch Suder ausspricht, wurde vom Bundesfamilienministerium gefördert, als dort Ursula von der Leyen das Sagen hatte.

Die hatte als Verteidigungsministerin im Februar wegen des Drohnendebakels den zuständigen Staatssekretär Stéphane Beemelmans gefeuert. Um die Pannen im Rüstungswesen zu beheben, sollen externe Berater in den Bendlerblock geholt werden; für dieses Mandat im Wert von über 400.000 Euro bewarb sich auch McKinsey. Wer den Zuschlag bekommt, entscheidet sich im Sommer. Suder könnte also so oder so von der Entscheidung ihrer Frauenfreundin im Ministerium profitieren. Das hat Geschmäckle. In Kreuzberg und auch darüber hinaus.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen