© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Kommt ein Brauner auf die Bühne galoppiert
Der Liebe Lenz in Linz: Richard Wagners „Walküre“ am neuen Opernhaus des oberösterreichischen Landestheaters / „Der Ring“ rundet sich 2015
Sebastian Hennig

Das Musiktheater am Volksgarten in Linz, im April vorigen Jahres eröffnet, spricht den Besucher schon mit der monumentalen wie schlichten Schönheit des Gebäudes an. Die Fassade aus römischem Travertin reflektiert das Sonnenlicht. Der Eingang ist ein gewaltiges festliches Tor zu dem eine riesige Freitreppe einlädt. Im Inneren setzt sich der Eindruck von wahrer Größe fort. Kaum je findet man Zweckmäßigkeit und Bequemlichkeit so vortrefflich mit dem Eindruck schlichter Festlichkeit verbunden. Poliertes Holz, mattes Messing und die roten, leicht geschweiften Sitzpolster vermitteln angenehme stoffliche Oberflächenreize.

Auch die Inszenierung des ersten Tags des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“ von Uwe Eric Laufenberg entspricht diesem Rahmen. Die Sänger halten sich wacker. Doch nach den zwei „Wääälse“-Rufen zum Ende des ersten Aufzugs ist Siegmund (Michael Bedjai) erst einmal ausgeputzt. Beim besten Willen entringt sich dem Erschöpften nichts weiter als ein tonloses Geschmetter. „Fort in des Lenzes lachendes Haus.“ Die Willkür hat hier eine schöne Stimme auf gefährliche Abwege geführt. Hoffentlich kann er es auf die Länge überstehen. Das Geschwisterpaar verbindet sich unter der großen Tafel, auf der Brünnhilde steht, das Schwert in der erhobenen Hand,wie ein barocker Miles Christianus. „So blühe denn, Wälsungenblut.“ Bloß gut, daß hier erst einmal nichts weiter gefordert ist und eine Pause folgt.

Der zweite Aufzug zeigt das Feldlager eines Generalstabs, in dem Wotan (Gerd Grochowski) mit seinen Ordonnanzen wirkt. Als diese abgetreten sind, schäkert er mit Brünnhilde (Elena Nebera). Doch dann kommt die Gemahlin Fricka (Karen Robertson). Ihre Empörung verläßt gelegentlich fast das Gesangliche und gerät in das Fahrwasser der erregten Rede. Dieser Eindruck wird unterstrichen durch eine abrupte Körpersprache. Wotans Resignation wird vom Orchester in die Tiefen des Bühnenhauses zurückgeweht. Überhaupt agiert das vorzügliche Linzer Bruckner-Orchester unter Dennis Russel Davies vielleicht etwas zu aufgedreht. Brünnhilde verfügt über einen reizvollen russischen Akzent. Wenn ihr Sang von der „Waffen Wucht“ handelt, dann klingt diese Erda-Tochter so erdig wie selten eine.

Der Walkürenritt tobt dann durch eine Reitschule. Tatsächlich kommt mehrfach im wirbelnden Ritt ein Brauner auf die Bühne galoppiert. Die Walküre schleudert rittlings die Gliedmaßen gefallener Krieger ihren Schwestern zu. Überhaupt sind die Personenbewegungen in allem anrührend und bedeutungsvoll gehalten. Die Leidenschaft beherrscht das Stück. „Walküre“ erscheint hier als die Geschichte einer doppelt inzestuösen Neigung zwischen Bruder Siegmund und Schwester Sieglinde wie zwischen Vater Wotan und Tochter Brünnhilde. Die stürzt noch ein letztes Mal dem göttlichen Vater in die Arme, um dann in eine geräumige Hohlfigur ihrer selbst zu steigen. Die Feuerschalen im Rund werden entzündet. Zugleich gehen die Bühnenscheinwerfer aus. Nur das erdige Monument der Walküre bleibt in einen grünlichen Schein gehüllt. Wotan senkt die Speerspitze und entzündet den Feuerkreis um die Tochter, die ein Teil seines Willens war und die nun in der Auslieferung an einen neuerstehenden Heldenwillen die Verstrickungen lösen wird.

Wie das geht, erfahren wir Anfang November mit der „Siegfried“-Premiere. Der „Ring“ soll sich dann bereits im Februar nächsten Jahres runden und in drei kompletten Zyklen aufgeführt werden.

Kontakt: Musiktheater Linz, Am Volksgarten 1, Kartentelefon: 0043 / (0)732 / 76 11-400. „Siegfried“ hat am 1. November Premiere, „Götterdämmerung“ am 7. Februar 2015.

www.landestheater-linz.at

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