© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Zu Hause bei den Hipstern
Factory: Am früheren Berliner Todesstreifen entsteht eine neue Herberge für Startups wie Uber / Branche im Gründerfieber
Ronald Gläser

In mehreren europäischen Städten demonstrierten vor einer Woche Taxifahrer gegen IT-Dienste wie Uber. Diese App vermittelt Nutzern Mitfahrgelegenheiten zum Dumpingpreis. Wie der Zufall es so wollte, weihte die Firma aus San Francisco just an diesem Tag ihre deutsche Dependance in Berlin-Mitte ein.

Nun sind in einer alten Brauerei, die jetzt Factory heißt, 22 Startups untergebracht. Das bekannteste darunter ist Twitter. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und sogar Google-Chef Eric Schmidt sind zur Eröffnungsfeier gekommen.

„Ein Arbeitsplatz in High-Tech-Branchen schafft vier Arbeitsplätze in der Wirtschaft insgesamt“, rechnete Schmidt vor, der Deutschland auf dem Weg zu einer Startup-Nation sieht. Zuvor hatte der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Stefan Kapferer auf die revolutionären Umwälzungen, die das Internet für unser gesamtes Wirtschaftssystem bedeutet, hingewiesen. Die „Industrie 4.0“ bringe große Chancen für Deutschland mit sich.

Die Stimmung ist gut. Wahrscheinlich sogar besser als die Wirklichkeit, denn in Wahrheit hinkt Deutschland als Standort für internetaffine Firmen hinter den USA meilenweit hinterher. 2012 war die gesamte Invetitionssumme in Startups in den USA mit 11 Milliarden Euro etwa sechzigmal so groß wie die Summe in Deutschland.

„Am Anfang waren wir nur ein paar Hacker“

Und doch. Ideen und Fleiß sind vorhanden. So wie bei der jungen Frau am Stand von Code for Germany, eines Projektes für Tranzparenz und die Verwendung frei zugänglicher Daten. Sie erzählt: „Am Anfang waren wir ein paar Hacker, die sich getroffen haben, um ihr Umfeld, ihre Stadt positiv zu beeinflussen.“ Mit den Daten werden interaktive Karten erstellt. Aus ihnen läßt sich ablesen, wo es zu wenige Kindergartenplätze oder zu viele Unfälle gibt. Wohin Steuergelder fließen. Auch politisch Unkorrektes wird verarbeitet: „Besonders interessiert sind viele an der Frage, wo besonders hohe Kriminalitätsraten vorzufinden sind.“

An einem anderen Stand erklären Mitarbeiter von Zendesk, wie ihr wichtigstes Programm alle Kommunikationswege der sozialen Netzwerke bündelt, etwa damit Kundenberater ihre Klienten optimal erreichen. Zendesk wird von 40.000 Kunden weltweit genutzt, ist aber auch ein Beispiel, wie es vielen erfolgreichen Startups aus Europa gehen kann: In Kopenhagen gegründet, wanderte die Firma nach zwei Jahren nach San Francisco, wo jetzt ihre Zentrale untergebracht ist. Berlin ist nur eine kleine Dependence.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen