© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/14 / 20. Juni 2014

Der ewige Nazivorwurf
„Blaue Narzisse“-Autoren über ein vergiftetes Klima
Claus-M. Wolfschlag

Felix Menzel, Gründer des Jugendmagazins Blaue Narzisse, hat dessen zehnjähriges Bestehen zum Anlaß für einen kleinen Sammelband mit sechs Texten genommen. Der Titel „Nazivorwurf“ verweist auf die Anfeindungen, denen das Blatt seit der Gründung ausgesetzt ist. Doch behandelt die Anthologie nicht nur die gesellschaftliche Ausgrenzung, sondern liefert eine bunte Textpalette. Diese erleichtert allerdings den Zugang für den Leser nicht unbedingt, wenn er ein eindeutiges Überthema sucht. „Es geht nicht nur um den ‘Nazivorwurf’ gegen junge Menschen in unserer Gesellschaft. Die Autoren zeigen vielmehr, daß man sich auf vielfältige Weise den eigenen Zugang zu Deutschland und seiner Kultur erarbeiten kann“, erklärt Menzel.

Menzels eigener Beitrag kommt dem Buchtitel am nächsten. Er berichtet von prägenden Erlebnissen der Schulzeit, die ihn mit der Realität der bundesdeutschen Demokratie konfrontierten. Laut Menzel kam nun sogar ans Licht, daß der sächsische Verfassungsschutz, entgegen früheren Presse-Dementis, ihn und eine Handvoll minderjähriger Gymnasiasten ab 2004 zwei Jahre lang beobachtete.

Carlo Clemens erwähnt in seinem feinsinnigen Beitrag „Alles nur aus Liebe“ die wegen seiner publizistischen Tätigkeit erfolgte Diskriminierung während des von ihm geleisteten Freiwilligen Sozialen Jahres und das schäbige Verhalten damaliger Kollegen. Literarische Auseinandersetzungen mit dem Futurismus und der Romantik liefern die Aufsätze Johannes Schüllers und André Rebenows.

Den problematischsten Beitrag liefert Gereon Breuer, der die hilflose alte These bemüht, wonach es seit 1789 eigentlich keine politische Rechte mehr gebe und selbst Hitler als „Sozialist“ ein „Linker“ gewesen sei. Das artet bald ins libertäre Leugnen der schützenden Rolle des Staates aus. Vor allem Breuers einseitige Tiraden gegen die Mittelklasse stoßen auf, und man fragt sich, wo er wohl die Produktivkraft des Volkes verortet: im verschwundenen Adel, im Proletariat oder in der internationalen Hochfinanz?

Der Leser wird schließlich durch Philip Steins wertvolle Reflexion versöhnt, die sich kritisch dem von außen getriebenen Distanzierungswahns bei Identitären und AfD widmet.

Felix Menzel (Hrsg.): Nazi-Vorwurf. Blaue Narzisse Anstoß, Chemnitz 2014, broschiert, 100 Seiten, 8,50 Euro

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