© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

Im Sperrbezirk
Kriminalität: Junge Flüchtlinge verbreiten in Freiburg Angst und Schrecken
Taras Maygutiak

Ja, sie habe Angst, bestätigt eine Frau Mitte 30 am Stühlinger Kirchplatz. Jetzt, nachmittags und mitten unter der Woche, zwar eher nicht, „aber abends laufe ich hier nicht mehr alleine herum“, gesteht sie. Eine andere Passantin, die erzählt, sie wohne ein paar Straßen weiter, bestätigt das. Ein junger Mann winkt ab: „Abends? Lieber nicht.“ Die Sorge der Anwohner ist nicht unbegründet, das Sicherheitsempfinden in einigen Gegenden der beschaulichen südbadischen Universitätsstadt, die viel auf ihren alternativen Charakter und ihre Weltoffenheit hält, hat Risse bekommen. Wer abends alleine unterwegs sei, solle den Stühlinger Kirchplatz meiden, warnt denn auch die Polizei. Seit Jahresbeginn häufen sich dort, in Bahnhofsnähe und in der Innenstadt Straftaten, angefangen beim Hausfriedensbruch über Diebstähle und Raubüberfälle bis hin zur Körperverletzung.

Die Täter gehen brutal vor

Im Fokus als potentielle Täter hat die Polizei minderjährige Flüchtlinge. „Zwischenzeitlich wurden Ermittlungsverfahren gegen 31 Personen aus dem Bereich der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eingeleitet. Hier liegen 194 Straftaten zugrunde, die schwerpunktmäßig in Freiburg begangen wurden, darüber hinaus aber auch im südbadischen Raum“, teilte die Freiburger Polizei kürzlich dazu mit. Wie brutal die Täter vorgehen, zeigen drei Fälle, die vor einigen Wochen innerhalb von zwei Tagen geschahen. Ein Mann hatte sich an einem Samstagabend aufgemacht, um sich eine Pizza zu besorgen. Unter der Stadtbahnbrücke wurde er von einer Gruppe junger Erwachsener, wie es im Polizeibericht heißt, überfallen und zusammengeschlagen. Als er am Boden lag, machten die Täter weiter und nahmen ihm anschließend den Geldbeutel ab. Gerade einmal einen Tag später stießen sie wenige hundert Meter weiter beim Hauptbahnhof einen 55jährigen zu Boden und erleichterten diesen um Geldbeutel und Handy.

Wenige Tage darauf erwischte es einen 19jährigen. Nicht weit entfernt von den beiden anderen Tatorten nahmen sie diesem ebenfalls das Smartphone ab. Zuvor hatte es Prügel gesetzt. Das erste Halbjahr 2014 war noch nicht einmal voll, da summierte sich die Zahl der Raubüberfälle in ganz Freiburg bereits auf 84. Immerhin die Hälfte mehr als noch im vergleichbaren Zeitraum 2010. In der Altstadt seien es 31 Fälle gewesen. Eine Steigerung um 100 Prozent. Am Stühlinger Kirchplatz registrierte die Polizei alleine neun Überfälle.

Bei rund einem Viertel aller Fälle ermittelt die Polizei in Richtung der Nordafrikaner. Neben den Überfällen gab es in den ersten drei Monaten zudem einen Anstieg der Taschendiebstähle um 40 Prozent auf 219 Fälle. Die Polizei reagierte mit „nachhaltigen Kontrollmaßnahmen und erhöhter Präsenz“, um möglichst Straftaten von vorneherein zu verhindern. Noch mehr Polizisten von der Landesregierung forderte Freiburgs Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) Ende der ersten Maiwoche in einer SWR-Sendung: „Freiburg ist mit Polizei unterversorgt“, sagte er in die Kamera. Davon wollte sein Parteifreund, Innenminister Reinhold Gall, in derselben Sendung allerdings nichts wissen, meinte sogar, er müsse „massiv widersprechen“. Die vor kurzem umgesetzte Strukturreform der Polizei in Baden-Württemberg habe man vollzogen, um Präsenz in der Fläche zeigen zu können, so Gall. Das nützt den Freiburgern freilich wenig. Und „in der Fläche“ sieht es auch nicht so gut aus. Vor einigen Wochen machte das Örtchen Tiefenbronn bei Pforzheim Schlagzeilen. Dort hatten sich Bürger beratschlagt, wie sie sich selbst vor einer Serie von Einbrüchen schützen könnten. Es gibt dort schlicht zu wenig Polizei. Daß in Freiburg mit den nordafrikanischen Jugendlichen „ein massives Problem drückt“, haben Betreuer aus dem direkten Umfeld der betroffenen Jugendlichen jetzt in einem Gespräch mit Gemeinderäten offen angesprochen, schreibt die Badische Zeitung. Der Einladung der Unabhängigen Listen waren Vertreter der SPD, aber auch von CDU und FDP gefolgt.

„Keine signifikante Veränderung“

Die Zuhörer hätten von den Experten „eine volle Ladung Wirklichkeit“ geliefert bekommen. Die klare Botschaft: Es brauche so schnell als möglich eine engmaschigere Betreuung der Jugendlichen, ein völlig neues Konzept – analog zu den erfolgreichen Vorbildern der Städte Karlsruhe und München. Schon im Jahr 2012, beteuern die Insider, hätten sie ihre Kritik bei der Verwaltung plaziert – ohne jeden Erfolg. Es ist noch gar nicht lange her, als man das Problem im Rathaus noch ganz durch die grüne Brille sah: Noch im September stand in einer Sitzungsvorlage, die Probleme bei der Unterbringung der jungen Flüchtlinge hätten sich entspannt. Und es ist erst einige Wochen her, seit Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) meinte, er sehe „keine signifikante Veränderung der Sicherheitslage“.

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