© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/14 / 27. Juni 2014

„Uneffektiver Mechanismus“
Fairtrade ist unfair: Britische Wissenschaftler haben nachgewiesen, daß dieses Instrument der Entwicklungshilfe versagt
Markus Brandstetter

Jeder kennt diese Abteilung im Supermarkt. Manchmal besteht sie nur aus einem Regal, manchmal aber auch aus einer ganzen Regalzeile. Optisch ist das oft recht schön gemacht: Es dominieren warme Farben, Brauntöne, Rot, Grün natürlich, die seelenlosen Stahlregale, die sonst überall herumstehen, sind hier meist mit Holz verbrämt, Jutebahnen hängen herab, und künstliche Pflanzen, Blumen und Palmenblätter drängen sich bunt ins Bild. Die Packungen, die hier stehen, sind kleiner, aber feiner, zumindest steht das drauf, immer sehr gesund, ehrlich und – „fair“. Die Fairtrade-Abteilung.

Wie Vegetarier fühlen sich Käufer moralisch überlegen

Zum Sortiment gehören hauptsächlich Kaffee und Tee, getrocknete exotische Früchte, manchmal auch Wein, Schokolade, Rohrzucker und Gewürze zu hohen, aber angeblich „fairen“ Preisen. Kostet ein Kilo Kaffee im Discounter um die fünf Euro, dann kostet es in der Fairtrade-Abteilung viermal soviel. Auf den Packungen lachen glückliche Asiaten und Afrikaner auf kleinen Feldern in grünen Plantagen fröhlich, so daß der Eindruck entsteht: Diese Leuten tun die Arbeit gerne, die verdienen richtig gut dabei, die fühlen sich wohl, denen geht es gut.

Fairtrade-Produkte vermitteln eine politische Botschaft: Der böse kapitalistische Westen, der einst die Kolonien ausgebeutet hat und dies subtiler durch die Bezahlung von Hungerlöhnen immer noch tut, kann auch anders, indem „die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Bauern und Beschäftigten durch Fairtrade-Preise und -Prämien verbessert werden“, wie es auf der Internetseite von Fairtrade Deutschland heißt. Wie der Vegetarier fühlt sich der Käufer solcher Produkte dem Fairtrade-Muffel moralisch überlegen: „Wenn ihr alle so wärt wie ich, dann wäre diese Erde ein besserer Ort“, lautet der implizite Vorwurf.

Das Geschäft jedenfalls brummt: In den letzten zehn Jahren hat sich in Deutschland der Umsatz der fair gehandelten Produkte versiebenfacht. Zwar schlürfen die Deutschen nur 2,1 Prozent ihres Kaffees „fair“, aber die gehandelte Kaffeemenge hat sich seit 2004 verdreifacht. Bei Südfrüchten, Zucker, Kakao, Fruchtsäften und sogar Blumen sieht die Entwicklung ganz ähnlich aus.

Im Lebensmittelhandel schwankt der Anteil der Fairtrade-Produkte zumeist zwischen zwei und acht Prozent, doch die Absätze steigen von Jahr zu Jahr mit oft zweistelligen Zuwachsraten. Weltweit wurden 2011 für fünf Milliarden Euro Produkte gehandelt, die eine Fairtrade-Zertifizierung aufwiesen. Das ist zwar weniger als ein Prozent vom gesamten Welthandel, aber ein Trend nach oben läßt sich auf jeden Fall erkennen. Längst beschränkt sich der FairtradeHandel nicht mehr auf Lebensmittel. Jüngstes Beispiel: Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) rief während einer Reise durch den Kongo dazu auf, „faire Handys“ zu kaufen, nachdem sie durch eine Mine für seltene Erden geführt wurde, in der laut Zertifizierung keine Kinder und Schwangere arbeiten. „Ich werde mir nach der Reise schleunigst ein faires Handy zulegen“, lobte sie die Erfolge deutscher Entwicklungszusammenarbeit bei der „fairen“ Rohstoffgewinnung für die Elektronikindustrie.

Wie Forscher der University of London kürzlich herausgefunden haben, sind die Ergebnisse „fairen“ Handels aber höchst zweifelhaft. Die britischen Wissenschaftler untersuchten, ob sich die Lebensbedingungen der Allerärmsten in Uganda und Äthiopien verbessern würden, wenn sie mit Fairtrade-Organisationen Handel trieben. Das Fazit ihrer Feldstudie, für die sie über 1.700 Personen befragten und mehr als 100 Interviews führten: Wo angeblich „fair“ gehandelte Blumen gezogen und Fairtrade-Kaffee angebaut wurde, waren die Löhne nicht nur nicht höher, sondern sogar niedriger als in Gebieten, in denen die Bauern nicht an Fairtrade-Organisationen verkauften.

Daß vor allem Kinder und Frauen von Fairtrade profitieren, wie Vertreter der Organisationen immer wieder behaupten, konnten die Londoner Forscher nicht bestätigen. Die dem „fairen“ Käufer versprochenen sozialen Schulen und Ambulanzen existierten nach Angaben der britischen Entwicklungsökonomen überhaupt nicht.

„Die britische Öffentlichkeit hat lange geglaubt, der Aufpreis für Fairtrade zertifizierten Kaffee, Tee und Blumen würde das Leben armer Afrikaner verbessern. Sorgfältige Feldstudien in diesem Projekt über vier Jahre zeigen, daß Fairtrade keinen effektiven Mechanismus bietet, um das Leben von Lohnarbeitern und der ärmsten Landbevölkerung zu verbessern“, so der Studienleiter Christopher Cramer, Professor für Entwicklungsökonomik an der Londoner Universität.

www.ftepr.org

Foto: Spielwiese der Weltverbesserer: Afrikaner bestaunen Fairetrade-Produkte auf einer Wirtschaftsmesse in Ghana

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