© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Und noch ein Denkmal
Gedenkpolitik: In Hamburg ist die Entscheidung zur Errichtung einer Erinnerungsstätte für Deserteure gefallen
Ekkehard Schultz

Nun ist es raus: Nach fast vierzig Jahren Streit um ein Denkmal für Soldaten des Ersten Weltkrieges im Hamburg wird in dessen unmittelbarer Umgebung ein „Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der Militärjustiz“ errichtet. Bereits im Juni 2012 hatte die Hamburger Bürgerschaft nach einem Antrag der Linkspartei einstimmig den Beschluß gefaßt, ihnen auf dem zentral gelegenen Areal zwischen Stephansplatz und Dammtor-Bahnhof eine derartige Erinnerungsstätte zu schaffen. Damit soll ein Kontrapunkt zu „Kriegsverherrlichung“ und „Militarismus“ gesetzt werden.

Wenn Relikte einer früheren Gedenkkultur in einem Widerspruch zum historischen Gedächtnis stehen, stellt dieser Tatbestand an sich in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft noch lange kein Problem dar. Vielmehr könnte die Diskussion zwischen Vertretern unterschiedlicher Generationen und mit heterogenen Geschichts- und Politikbildern sehr befruchtend sein und zu einem besseren wechselseitigen Verständnis beitragen.

Doch in Deutschland besteht seit langem eine Tendenz zu radikalen Lösungen. Bestimmte Objekte sind manchen gesellschaftlichen Gruppen schon aus grundsätzlichen Überlegungen heraus ein Dorn im Auge. Zu ihnen zählt seit langem ein großer von Richard Kuöhl geschaffener Block, der in der unmittelbaren Nähe des Hamburger Bahnhofs Dammtor an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten des Infanterieregiments 76 erinnern soll. Seit mehr als vierzig Jahren fordern linke Kreise dessen Entfernung oder zumindest eine grundsätzliche Umgestaltung.

Vor diesem Hintergrund gab es bereits in den siebziger Jahren zahlreiche Bestrebungen, das Umfeld des Denkmales zu verändern. Zu diesem Zweck wurde 1982 ein Künstlerwettbewerb veranstaltet, um der vermeintlichen „Kriegsverherrlichung“ ein „Mahnmal gegen den Krieg“ gegenüberzustellen. Zwar fand damals kein einziger der 107 eingereichten Entwürfe die ungeteilte Zustimmung der Jury. Vielmehr entschied sie, daß kein einziger Versuch zur Ausführung geeignet sei. Dennoch erteilte die Kunstkommission dem Wiener Bildhauer Alfred Hrdlicka einen entsprechenden Auftrag. Doch Hrdlickas Werk war selbst ideologisch Naherstehenden zu abstrakt und zuwenig aussagekräftig. So blieb das als „Gegendenkmal“ angesehene Objekt unvollendet.

Unzufrieden mit dieser in ihren Augen nur „halben Lösung“ kam es seit den achtziger Jahren am „76er-Denkmal“ zu regelmäßigen Sachbeschädigungen durch Angehörige von antimilitaristischen Gruppierungen. Neben Farbattacken wurde mehrfach versucht, einzelne Buchstaben und Figuren aus dem Stein mit Gewalt herauszubrechen.

Nun wird mit dem Willen des Senates neben Hrdlickas unvollendetem Denkmal ein weiteres Erinnerungsobjekt entstehen. Mit der Umsetzung eines Entwurfs des Bildhauers Volker Lang, für den 500.000 Euro zur Verfügung gestellt werden, solle „der in Hamburg hingerichteter Wehrmachtsdeserteure und anderer Opfer der NS-Militärjustiz“ gedacht werden.

Das Konzept von Volker Lang sieht einen transparenten Baukörper in der Form eines gleichseitigen Dreiecks zwischen dem 76er-Denkmal von Richard Kuöhl und dem Gegendenkmal von Alfred Hrdlicka vor. Zwei der drei Wände werden aus bronzenen Schriftgittern gebildet. Eine gefaltete geschlossene Wand schließt den Raum ab. Die Texte der Schriftgitter sind dem Werk „Deutschland 1944“ des Autors Helmut Heißenbüttel entnommen, das auch am Ort zu hören ist. Die historischen Informationen zum Gedenkort für Deserteure und andere Opfer der NS-Militärjustiz werden als Schrift auf der Betonwand angebracht.

„Mit dem Konzept von Volker Lang ist es gelungen, eine überzeugende Idee zu finden, die zur späten Rehabilitation der Deserteure und anderer Opfer der NS-Militärjustiz beiträgt“, erläuterte Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos). „Der Mut und die Gradlinigkeit der Menschen, die sich dem Unrecht der NS-Zeit entgegengestellt haben, ist viel zu lange nicht angemessen gewürdigt worden. Wir wollen mit dem Deserteurdenkmal ein wichtiges politisches Zeichen für Zivilcourage und Gerechtigkeit setzen und junge Leute dazu ermutigen, für ihre Überzeugung einzutreten, für Frieden, Toleranz und Mitmenschlichkeit.“ Das Denkmal soll im kommenden Jahr eingeweiht werden.

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