© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Verrückter geht es nicht
Slowenien: Alte Seilschaften und Politiker außer Rand und Band – die Parlamentswahl steht unter keinem guten Stern / Senkrechtstarter Cerar rollt das Feld auf
Detlef Kleinert

Gäbe es einen Preis für die verrückteste Parlamentswahl, Slowenien wäre sicher Favorit. Da wird die Wahl in die Mitte der Urlaubssaison gelegt, der aussichtsreichste Kandidat rechtzeitig ins Gefängnis gesteckt, die Regierungschefin von ihrem „Erfinder“ aus dem Amt gemobbt. Zu guter Letzt überschlagen sich Vorwürfe bezüglich Korruption und Vetternwirtschaft. Verschwörungstheorien machen die Runde .

Es wäre zu einfach, dies alles auf eine unbewältigte Vergangenheit im kommunistischen Jugoslawien zu projizieren. Slowenien galt im Vielvölkergefängnis als Vorzeigerepublik, nach der Wende 1990/91 stand es wirtschaftlich gut da, hatte Ende der 1990er Jahre eine Reihe von EU-Ländern überholt, weshalb der EU-Beitritt 2004 auch ohne Probleme vollzogen wurde. Auch als 2007 der Euro eingeführt wurde, wollte nur eine Minderheit vom Teuro sprechen. Dann aber schmolz die Hochstimmung wie Schnee in der Frühlingssonne, aus der Wirtschaftsmacht wurde ein Pleitestaat.

Als Alenka Bratušek im März 2013 vom Vorsitzenden der linksliberalen Partei „Positives Slowenien“, Zoran Janković ins Regierungsamt befördert wurde – Janković selbst gelang keine Regierungsbildung, da er sich mit Korruptionsvorwürfen herumschlagen mußte –, schien sich eine Wende anzubahnen. Bratušek hat durch eine harte Sparpolitik und die Ausstattung der Banken mit neuem Geld die Wirtschaft scheinbar in Schwung gebracht, was mit einem Budgetdefizit von 14,7 Prozent verbunden war und gab sich als Sauberfrau. Doch die Umfragen stehen schlecht.

Also wird ihr Nachfolger die weiteren Privatisierungen vornehmen müssen, die in Slowenien extrem unpopulär sind. Umfragen zufolge könnte das der Jurist Miro Cerar sein, dessen neugründete Expertenpartei nur Cerar heißt. „Wir geben den Menschen neue Hoffnung und neues Vertrauen“, gibt sich der 50jährige optimistisch in einem Land, in dem die Bürger jegliches Vertrauen in die herrschende Klasse verloren haben. Der jugendlich aussehende Sproß einer Sportlerfamilie genießt, so wird gemunkelt, das Vertrauen von Milan Kucan, dem Altkommunisten aus der Milosevic-Ära, der heute als „Vater der Nation“ gilt.

Eigentlich müßte er Vater der Nation sein: Janez Janša, der 1991 im 11-Tage-Krieg gegen die Milosevic-Tuppen die Souveränität des Landes verteidigte, mit dem die alten Seilschaften ein übles Spiel treiben. „Es kommt der 13. Juli. Kleidet Slowenien an diesem Tag in die Farben der Freiheit und Gerechtigkeit“, rief er seinen Anhängern zu, als er ins Gefängnis ging. Janšas konservative Oppositionspartei SDS dürfte nach der Cerar-Partei am 13. Juli die meisten Stimmen erhalten, der einstige Dissident gilt vielen noch immer als Hoffnungsträger. Die Anklage, Korruption im Zusammenhang mit dem Ankauf von Radpanzern der finnischen Firma Patria, wirft Janša vor, zu einem nicht bekannten Zeitpunkt, an einem nicht genannten Ort, auf nicht geklärten Wegen eine Summe unbekannter Höhe für eine nicht bestimmte politische Intervention bekommen zu haben. Die angeklagten Manager der finnischen Firma sind denn auch längst freigesprochen.

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