© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Das Börsenbarometer dreht auf Sturm*
Jetzt aussteigen!
Markus Brandstetter

Am deutschen Aktienmarkt geht es stetig bergauf. War der Dax im September 2011 nochmals auf 5.100 Zähler gefallen, so kratzt er nun seit Wochen an der 10.000-Punkte-Marke. In nicht einmal drei Jahren also hat sich der Zählerstand des wichtigsten deutschen Börsenbarometers verdoppelt. Ganz ähnlich sieht es beim Dow Jones, dem US-amerikanischen Leitindex, aus. Der lag im September 2009 bei 6.600 Zählern; vor kurzem riß er jedoch die 17.000-Punkte-Marke. Für Anleger ist das eine feine Sache, da haben große Haie und kleine Fische, die Aktien in Form von Fonds oder via fondsgebundene Rentenversicherungen halten, viel Geld verdient.

Wenn eine Party sehr lange sehr schön war, dann taucht bald die Frage auf, wann sie zu Ende geht. Der britische Economist sieht erste dunkle Wolken am Horizont aufziehen. Der statistische Grund dafür liegt in der niedrigen Volatilität der Aktienkurse. Unter Volatilität versteht man das Ausschlagen der Aktienkurse nach oben oder unten. Je größer und heftiger die Ausschläge über einen bestimmten Zeitraum andauern, desto höher die Volatilität.

Statistiken belegen, daß die Ausschläge an den Aktienmärkten aktuell so gering sind wie seit 2007 nicht mehr. Die historische Erfahrung lehrt, daß diese Entwicklung nicht Friede, Freude, Eierkuchen signalisiert, sondern die Ruhe vor dem Sturm. Zwei Gründe gibt es für den Höhenflug auf den Aktienmärkten: Erstens, die seit Jahren anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und der US-amerikanischen Fed. Zweitens, die Erholung bei den Unternehmensgewinnen in Deutschland und den USA, die im Verhältnis zum BIP historische Höchststände erreicht haben. Beide Faktoren haben zu einem stetigen Zustrom von Geld in die Aktienmärkte geführt.

Aber genau dann, wenn die See am ruhigsten scheint, kann schon eine Böe das Boot ins Schwanken bringen. Jede Anhebung der Leitzinsen würde zu panikartigen Reaktionen an den Börsen führen. Eine plötzliche Verschlechterung bei den Unternehmensgewinnen, ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen, eine Krise in China, ein plötzliches Ansteigen der Inflationsraten – dies alles könnte die augenblickliche Ruhe und Zuversicht praktisch über Nacht stören und dann zu rasch sinkenden Börsenkursen führen.

Nach dem alten Börsenkalender hält der Optimismus wie die Schönwetterperiode über die Sommermonate an, bevor im Oktober und November die Stimmung kippt. Allein deshalb erscheint es im Moment ratsam, eigene Investments zu überprüfen, Gewinne mitzunehmen und sich darüber zu freuen. Menschen, die auf Rente oder Pension zusteuern und einen Teil ihres Vermögens in Aktien und Fonds angelegt haben, sollten überlegen, ob jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für den Ausstieg gekommen ist.

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