© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/14 / 11. Juli 2014

Zeitschriftenkritik: Aviso
Von der Freiheit der Kunst
Werner Olles

Am Beispiel des künftigen Chefdirigenten der Münchner Philharmonie, Valery Gergiev, beschreibt der an der Ludwig-Maximilians-Universität lehrende Arbeitsrechtler Volker Rieble die Gesinnungsschnüffelei und Meinungskontrolle der „armselig-miefigen Blockwarte“ aus dem linken „Gutmenschen“-Lager. Weil Gergiev die Politik seines Staatschefs Putin unterstützt, steht er in Deutschland unter „scharfer Beobachtung“. Rieble hegt den Verdacht, daß hier „Feiglinge sich risikoarm einen Putin-Freund für solche Sanktionen aussuchen, für die ihnen gegenüber Rußland und Präsident Putin die mentale Kraft fehlt“. Anstatt Gergievs Denken als „zum Weiterdenken anregenden Störeffekt“ zu begreifen, finde eine „gesellschaftliche Aburteilung“ statt, die ähnlich wie in der „öden Lewitscharoff-Debatte“ im Kern die freie Kunst leugne. Dies sei nicht bloß totalitär, sondern wie man bereits bei Peter Handkes „Serbenverständnis“ beobachten konnte, komme es dem Staat nicht zu, mit Antidiskriminierungsregeln jedermann auf ein bestimmtes Menschenbild zu verpflichten und bei dessen Nichtbeachtung mit Ausgrenzung zu reagieren. „Selbstüberschätzung, Größenwahn und Gleichschaltungswollust sind das eine Problem“, schreibt der Autor: „Dafür gibt es in München eine leistungsstarke Psychiatrie. Gegen rechtwidrige Antidiskriminierungsregeln hilft Rechtsschutz.“

Etwas moderater vertritt auch der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultur, Kunst und Wissenschaft, Ludwig Spaenle, im Editorial der aktuellen Ausgabe (2/2014) der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift für Wissenschaft und Kunst in Bayern Aviso diese Auffassung. Selbst wenn Autoren hier Meinungen vertreten, die nicht dem Standpunkt des Ministeriums entsprechen, sei dies auszuhalten: „Die Freiheit der Kunst ist nicht verhandelbar.“ Schließlich sei es ihre Aufgabe, in der Gesellschaft „immer wieder das Erreichte in Frage zu stellen und das vermeintlich Gesicherte gegen den Strich zu bürsten“. In Aviso nehme man die liberalitas bavariae ernst, „und wenn es geht, ab und an sogar mit Humor“.

Der Rockmusiker, Kabarettist und Liedermacher Georg Ringswandl plädiert leidenschaftlich gegen eine Staatsförderung für Popmusik: „Was kein Publikum findet, verdient auch kein Geld“, lautet das Credo des politisch eher links angesiedelten Künstlers. Mit Steuergeldern alimentierte Popakademien und das Einsetzen von amtlich bestallten Rock- und Popbeauftragten könne niemals einen Friedrich Hollaender, Hank Williams, Otis Redding, Bob Marley oder eine Edith Piaf und Dolly Parton hervorbringen. Auf dem steinigen Weg vom Gitarre schrammelnden Jugendlichen zum Rockstar gebe es keinen Punkt, an dem öffentliches Geld helfen könnte. Um Bob-Dylan- oder Steve-Winwood-Musik zu schreiben, brauche es einen originellen Kopf, Mut, Unverdrossenheit, Begeisterung und Leidensfähigkeit: „Keine dieser Zutaten ist durch Staatskohle zu beschaffen.“

Kontakt: Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst, Salvatorstr. 2, 80333 München, Telefon: 089 / 21 86 22 42. Der Bezug ist kostenlos. www.km.bayern.de

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