© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Die letzte Chance
20. Juli 1944: Ablauf und Scheitern der Operation „Walküre“

Das Attentat muß erfolgen, koste es, was es wolle. Sollte es nichr gelingen, so muß trotzdem der Staatsstreich versucht werden. Denn es kommt nicht mehr auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, daß die deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der Geschichte den entscheidenden Wurf gewagt hat.“ Mit diesen Worten appellierte Henning von Tresckow an Claus Schenk Graf von Stauffenberg im Juni 1944, die Umsturzpläne des militärischen Widerstands in die Tat umzusetzen, Hitler auszuschalten und die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft zu beenden. Einen Monat später war es soweit:

20. Juli 1944, 7 Uhr

Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg startet vom Flugplatz Rangsdorf bei Berlin aus mit seinem Adjutanten, Oberleutnant Werner von Haeften, ins Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ bei Rastenburg in Ostpreußen.

11.30 Uhr

Stauffenberg meldet sich beim Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel.

12.30 Uhr

Die Mitverschwörer Hauptmann Ulrich-Wilhelm Graf Schwerin von Schwanenfeld, Generaloberst Erich Hoepner sowie der Vize-Oberpräsident von Schlesien Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg, Oberregierungsrat Peter Graf Yorck von Wartenburg, Eugen Gerstenmaier und Marineoberstabsrichter Berthold Schenk Graf von Stauffenberg treffen im Bendlerblock, dem Sitz des Befehlshabers des Ersatzheeres im Oberkommando des Heeres, ein.

12.30 Uhr

Stauffenberg und Haeften begeben sich unter dem Vorwand, sich für die Lagebesprechung bei Hitler frisch machen zu wollen, in das Zimmer von Keitels Adjutant. Der schwer kriegsversehrte Stauffenberg drückt die Säureampulle des Zeitzünders der Bombe ein und verstaut den Ein-Kilo-Sprengsatz in seiner Aktentasche. Stauffenberg und Haeften werden beim Scharfmachen des zweiten Sprengsatzes gestört, deshalb nimmt Haeften das zweite Sprengstoffpaket wieder mit. Stauffenberg stellt seine Aktentasche in der Nähe Hitlers, dem er über die Neuaufstellung von Ersatzformationen berichten soll, ab. Unter dem Vorwand, telefonieren zu müssen, verläßt er danach die Lagebaracke.

12.42 Uhr

Die Bombe explodiert. General Günther Korten, Generalleutnant Rudolf Schmundt, Oberst Heinz Brandt sowie der Stenograf Heinrich Berger werden getötet, die übrigen 20 Personen in der Baracke werden verletzt. Hitler selbst kommt mit leichten Verletzungen am Bein davon.

13 – 13.15 Uhr

Nachdem Alarm gegeben worden ist, wird Stauffenberg an der Außenwache des Sperrkreises in der „Wolfsschanze“ festgehalten. Erst nach einem Telefonat mit der Kommandantur darf er passieren. Anschließend hebt die Maschine nach Berlin mit Stauffenberg und Haeften an Bord ab.

14 Uhr

Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim alarmiert auf eigene Initiative die „Walküre“-Truppen in Krampnitz (Panzertruppenschule) und Döberitz (Infanterieschule).

14.30 Uhr

In Paris trifft die Nachricht vom Attentat auf Hitler und Bildung der Regierung Beck/Goerdeler ein. Stülpnagel nimmt die Dinge energisch in die Hand: Um 23 Uhr soll die Führung der SS und des Sicherheitsdienstes in Paris verhaftet werden.

Gegen 15 Uhr

Stauffenberg und Haeften landen in Rangsdorf bei Berlin. Haeften gibt telefonisch die Nachricht „Hitler ist tot“ an die Verschwörer in der Bendlerstraße durch. Danach erst löst der zögerliche General Olbricht mit dem Stichwort „Deutschland“ die Alarmmaßnahmen nach dem „Walküre“-Plan aus. Der zum Widerstand gehörende Stadtkommandant von Berlin, Generalleutnant Paul von Hase, erteilt dem Kommandeur des Wachbataillons, Major Otto Ernst Remer, den Befehl, das Regierungsviertel abzusperren und Propagandaminister Joseph Goebbels zu verhaften.

18 Uhr

In Wien geht das erste Fernschreiben zu „Walküre“ ein. Befehl zur Festnahme der führenden NS-Parteifunktionäre sowie der höheren SS-Führer. Dies erfolgt (teilweise) gegen 20 Uhr. Zwei Stunden später wird der Alarm als Putschversuch erkannt.

19 Uhr

Remer meldet sich bei Goebbels, der den Offizier telefonisch mit Hitler verbindet. Dieser unterstellt ihn sich persönlich und befiehlt, den Putsch niederzuwerfen.

20.20 Uhr

Aus der „Wolfsschanze“ kommt der Befehl an alle Wehrkreisbefehlshaber: SS-Chef Himmler ist neuer Befehlshaber des Ersatzheeres, nur seinen Befehlen ist Folge zu leisten.

21.15 Uhr

Der Rundfunk kündigt an, Hitler werde in Kürze eine Anspache halten. Seine Rede wird kurz nach 1.00 Uhr am 21. Juli vom Führerhauptquartier aus gesendet.

22 Uhr

In Paris werden die Polizei- und SS-Verbände widerstandslos entwaffnet. Nach dem Scheitern des Putsches wird dies als „Übung“ dargestellt. Stülpnagel wird nach Berlin befohlen.

22.30 Uhr

Der bewaffnete Gegenstoß im Bendlerblock beginnt („Für oder gegen den Führer?“). Das Wachbataillon besetzt Teile des Gebäudes. Generaloberst Fromm verurteilt die Verschwörer wegen Hochverrats standrechtlich zum Tode.

21. Juli 1944, 00.15 Uhr

Kurz vor Mitternacht stirbt Generaloberst Beck. Er hatte versucht, sich selbst zu erschießen; als dies nicht gelingt, wird ihm der „Gnadenschuß“ gegeben. Im Hof des Bendlerblocks werden Olbricht, von Haeften, Mertz von Quirnheim und Stauffenberg durch ein Sonderkommando exekutiert. Stauffenberg stirbt mit dem Ruf: „Es lebe das heilige Deutschland!“

 

Köpfe des Widerstands

Ludwig Beck

(geboren 1880, Freitod am 20. Juli 1944), Generaloberst, bis 1938 Chef des Gene-ralstabs des Heeres; nach dem Putsch als Reichsverweser vorgesehen

Robert Bernardis

(geboren 1908, hingerichtet am 8. August 1944), Oberstleutnant i.G., steuerte „Walküre“ in Wien Alfred Delp S. J.

(geboren 1907, hingerichtet am 2. Februar 1945), Jesuitenpater und Seelsorger, Mitglied Kreisauer Kreis

Carl Friedrich Goerdeler

(geboren 1884, hingerichtet am 2. Februar 1945), Leipziger Oberbürgermeister a. D., als Reichskanzler vorgesehen

Werner von Haeften

(geboren 1908, standrechtlich erschossen am 21. Juli 1944), Oberleutnant d. R., Adjutant Stauffenbergs

Ulrich von Hassell

(geboren 1881, hingerichtet am 8. September 1944) ehemaliger Botschafter in Rom, Vermittler zwischen zivilen und militärischen Widerstandskreisen

Erich Hoepner

(geboren 1896, hingerichtet am 8. August 1944), Generaloberst a.D., nach dem Umsturz als Oberbefehlshaber des Heeres vorgesehen

Julius Leber

(geboren 1891, hingerichtet am 5. Januar 1945), ehemaliges Mitglied des Reichstags (SPD), als Innenminister vorgesehen

Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim

(geboren 1905, standrechtlich erschossen am 21. Juli 1944), Oberst i. G., Stabschef im Heeresamt

Helmuth James Graf von Moltke

(geboren 1907, hingerichtet am 23. Januar 1945), Kriegsverwaltungsrat, Kopf des Krei-sauer Kreises

Friedrich Olbricht

(geboren 1888, standrechtlich erschossen am 21. Juli 1944), General und Chef des Heeresamtes

Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg

(geboren 1902, hingerichtet am 10. August 1944), Vize-Oberpräsident, Vermittler zwischen Konservativen und Sozialdemokraten

Claus Schenk Graf von Stauffenberg

(geboren 1907, standrechtlich erschossen am 21. Juli 1944), Oberst i.G., Organisator und Kopf des Widerstandes

Carl Heinrich von Stülpnagel

(geboren 1896, hingerichtet am 30. August 1944), Militärbefehlshaber im besetzten Frankreich

Henning von Tresckow

(geboren 1901, Freitod am 21. Juli 1944), Generalmajor, Kopf der Widerstandsgruppe in der Heeresgruppe Mitte, treibende Kraft hinter dem Umsturzplan

Adam von Trott zu Solz

(geboren 1909, hingerichtet am 26. August 1944), Legationsrat, Mitglied im Kreisauer Kreis

Eduard Wagner

(geboren 1894, Freitod am 23. Juli 1944) Generalquartiermeister, stellte Stauffenberg das Flugzeug am 20. Juli zur Verfügung

Erwin von Witzleben

(geboren 1881, hingerichtet am 8. August 1944), Generalfeldmarschall, als Oberbefehlshaber der Wehrmacht vorgesehen

Foto: Bombe: In solch einer Aktentasche (Beispiel) deponierte Stauffenberg das Sprengstoffpaket mit zwei eingesetzten Zeitzündern

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