© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30/14 / 18. Juli 2014

Karstadt steht vor dem Aus
Dinosauriersterben
Markus Brandstetter

Vor vier Jahren wurde Nicolas Berggruen noch als Retter von Karstadt gefeiert. Politiker haben für ihn den roten Teppich ausgerollt, die Journalisten haben ihn gelobt und die Mitarbeiter der damals insolventen Karstadt-Kette ihn als ihren Retter gefeiert. Damit ist es vorbei. Vor zwei Wochen hat die hochgelobte Geschäftsführerin Eva-Lotta Sjöstedt nach einem halben Jahr alles hingeschmissen, Berggruen will seine Karstadt-Anteile angeblich für einen Euro wieder loswerden. Doch die Investoren zieren sich.

Was ist da schiefgelaufen? Zuerst einmal, und das ist der wichtigste Punkt, ist der Untergang auf Raten, den Karstadt seit zwanzig Jahren durchläuft, eine Folge struktureller Veränderungen im Einzelhandel. Die Warenhäuser in den Fußgängerzonen, die gut hundert Jahre lang funktioniert haben, weichen Stück für Stück den stetig expandierenden Internethändlern. So wie die Kaufhäuser einst die Krämerläden und die Spezialhandlungen abgelöst haben, so verdrängen Amazon, Ebay, Zalando & Co. nach und nach die Kaufhäuser. Das Dinosauriersterben im Einzelhandel hat erst begonnen.

In einem schrumpfenden Markt mit sinkenden Profitraten überleben nur die Besten. Karstadt gehört ganz offenbar nicht dazu. Auch wenn es vielen Stammkunden in der Seele weh tun wird, aus heutiger Sicht scheint das 1881 in Wismar von Rudolph Karstadt gegründete Traditionshaus den Weg gehen zu müssen, den bereits Quelle, Neckermann und Hertie gegangen sind, – und der heißt: Insolvenz und Zerschlagung.

Das Problem, das Karstadt hat, ist nicht der listige und unzuverlässige Berggruen, auch nicht die austrocknenden frischen Mittel, ja nicht einmal die wie gewöhnlich unkooperativen Gewerkschaften, sondern einzig und allein die Tatsache, daß immer mehr Menschen zum Einkaufen nicht mehr aus dem Haus gehen, sondern nur noch am PC oder mit dem Mobiltelefon in der Hand shoppen wollen.

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