© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Mißtrauensantrag gegen die eigene Verteidigung
NSU-Prozeß: Obwohl Beate Zschäpe mit ihren Anwälten unzufrieden ist, wird die Verhandlung fortgesetzt
Hinrich Rohbohm / Marcus Schmidt

Lange hatte es wie eine ideale Verbindung ausgesehen. Die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe, deren Schuld für die breite Öffentlichkeit noch vor dem Urteilsspruch festzustehen scheint, und die „szenefremden“ smarten Anwälte mit den fast schon absurd anmutenden Namen Heer, Stahl und Sturm. Daß es mit dem Vertrauensverhältnis Zschäpes zu ihren Verteidigern nicht zum besten bestellt ist, war schon vor dem Paukenschlag in der vergangenen Woche zu beobachten. Ob die Angeklagte aber wirklich gut beraten war, nach 14 Monaten Prozeßdauer vom Gericht unter Richter Manfred Götzl zu verlangen, die Anwälte auszutauschen, scheint fraglich. Am Mittwoch vergangener Woche hatte Zschäpe dem Gericht über einen Wachmann mitteilen lassen, daß sie das Vertrauen in ihre Anwälte verloren habe. Sie erhielt daraufhin bis zum Freitag Zeit für eine schriftliche Begründung.

Wurden Zeugen nicht stark genug unter Druck gesetzt?

Schon am Montag sickerte durch, daß diese dem Gericht offenbar nicht genügte und Zschäpe mit ihren drei Anwälten weiter zusammenarbeiten muß. Somit wird sich wohl auch an der Strategie der Verteidigung nichts ändern. Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm haben ihrer Mandantin geraten, während des Prozesses zu schweigen. Angesichts des bisherigen Gehalts der Zeugenaussagen aus der rechtsextreme Szene dürften sie sich in dieser Vorgehensweise bestätigt fühlen. Im Zentrum ihrer Überlegungen könnte nämlich durchaus die Befürchtung stehen, daß sich ihre Mandantin bei einer Einlassung um Kopf und Kragen reden wird. Daß sich Zschäpe bislang auf diese Strategie eingelassen hat, und auch jetzt spricht kaum etwas dafür, daß die Angeklagte umfassend aussagen will, läßt einige Schlüsse darauf zu, wie sie selbst ihre Lage einschätzt. Mangelndes Engagement müssen sich die drei Juristen jedenfalls nicht vorwerfen lassen. Schon zum Prozeßauftakt lieferten sie sich manchen hitzigen Schlagabtausch mit dem Vorsitzenden Richter Götzl, den sie gleich zu Verhandlungsbeginn für befangen erklären lassen wollten. Immer wieder sorgten sie mit Beweis-anträgen für eine Verzögerung des Prozeßablaufs, drängten auf Aussetzungen der Hauptverhandlung, ließen sich auch von Attacken aus den Reihen der Nebenkläger-Anwälte nicht aus ihrem Konzept bringen, denen sie Stimmungsmache vorgeworfen hatten. „Der Einfallsreichtum der Verteidigung ist offenbar unerschöpflich“, hatte sich auch die Bundesanwaltschaft ausgesprochen genervt von der Fülle von Einwänden der Verteidigung gezeigt.

Andererseits sehen sich Heer, Stahl und Sturm der Kritik ausgesetzt, Zeugen nicht stark genug unter Druck gesetzt und in Widersprüche verwickelt zu haben. So geschehen auch bei der Vernehmung von Tino Brandt, Mitbegründer des Thüringer Heimatschutzes und einstiger Verfassungsschutz-Spitzel. Auf Befragen von Wolfgang Stahl beschrieb in der vergangenen Woche Brandt sein Verhältnis zu den drei mutmaßlichen NSU-Mitgliedern als „richtige Freundschaft“. Eine für Zschäpe eher belastende Aussage, die der Auslöser dafür gewesen sein könnte, daß sie wohl spontan einem Justizbeamten ihren Unmut über ihre Verteidiger anvertraute. Daraufhin mußte sich die 39jährige erklären: Will sie mit ihren durch ihre Mißfallensäußerung stark beschädigten Rechtsbeiständen weiter zusammenarbeiten oder will sie die drei Juristen von ihren Aufgaben entbinden?

Letzteres kann sie durchaus. Aber: Ein solcher Antrag muß gut begründet sein, soll er Aussicht auf Erfolg haben. Bloße Disharmonien und Meinungsverschiedenheiten zwischen der Angeklagten und ihren Verteidigern reichen nicht aus. Es war daher durchaus erwartet worden, daß letztlich alles beim alten bleibt. Zu hoch liegen die Hürden für einen „fliegenden Wechsel“ mitten im Prozeß. Vermutlich war sich Zschäpe über die Konsequenzen ihres Begehrens nicht im klaren. Heer, Stahl und Sturm sind in die Materie eingearbeitet und mit den bisherigen Zeugenaussagen und der Beweisaufnahme vertraut. Schließlich wären neue Anwälte noch keine Garantie für eine bessere Interessenvertretung der Angeklagten. Unter Prozeßbeobachtern wird der Vertrauensentzug Zschäpes denn auch eher als Zeichen für deren zunehmende Nervosität gesehen.

Offenbar, so die Deutung, ist Zschäpe nach zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft, der zudem der Verlust ihrer langjährigen Lebensgefährten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vorausgegangen war, und 128 Verhandlungstagen in eine Krise geraten. Denn auch wenn in den vergangenen Wochen von Unbekannten immer wieder Auszüge aus Ermittlungsakten im Internet veröffentlicht wurden, die Zweifel an dem von der Anklage gezeichneten Bild des NSU-Komplexes wecken sollen, wurde im bisherigen Prozeßverlauf mehrfach deutlich, daß das Gericht der Darstellung der Bundesanwaltschaft zuneigt. Und nur das ist für Zschäpe derzeit von Bedeutung.

Foto: Beate Zschäpe zwischen ihren Anwälten Anja Sturm und Wolfgang Heer: Gericht neigt der Anklage zu

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