© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Kein Glatteis im Sommer
Marcus Schmidt

Die wichtigste Frage klärte sich noch vor Beginn. „Apricot? Hellblau?“ Bundeskanzlerin Angela Merkel beendete durch ihr Erscheinen das Ratespiel der wartenden Korrespondenten. „Champagnerfarben ist das nicht mehr“, gestand eine Journalistin mit Blick auf den sandfarbenen Blazer der Kanzlerin ihre Niederlage ein.

Es ist ein Ritual. Jeden Sommer, bevor Merkel Berlin für ihren Urlaub den Rücken kehrt, stellt sie sich auf Einladung der Bundespressekonferenz (BPK) den Fragen der Journalisten. Andere Termine dazugerechnet, etwa die Vorstellung des schwarz-roten Koalitionsvertrages im Herbst vergangenen Jahres, kommt Merkel bereits auf 18 Auftritte vor der blauen Wand. Der Sitzungssaal der BPK an der Spree ist dann ebenso traditionell bis auf den letzten Platz besetzt, die Stimmung gelöst. Merkel, das gestehen auch ihre Kritiker ein, „kann“ mit Journalisten – wenn sie will. Dann ist sie schlagfertig und humorvoll. Das Spiel mit den Fotografen beherrscht Merkel sowieso.

Doch am Freitag vergangener Woche war vieles anders. Ein Tag nach dem mutmaßlichen Abschuß des Passagierflugzeuges über der Ukraine war die Stimmung angespannt. Außenpolitische Fragen bestimmten die Pressekonferenz. Merkel, die zu ahnen schien, daß ihr Urlaub angesichts der Ukraine-Krise leiden wird, wirkte blaß und angespannt. Hinzu kamen die Hitze und die Nachwehen der Feier zum 60. Geburtstag Merkels am Abend zuvor im Konrad-Adenauer-Haus.

Dennoch blieb sich Merkel trotz der angespannten Situation treu: Die Ausbeute der Journalisten blieb mager, denn die Kanzlerin versteht es mit ihren Antworten im Ungefähren zu bleiben. Auch bei der seit Wochen in Berlin zirkulierenden Frage, ob sie freiwillig vorzeitig aus dem Amt scheiden könnte, läßt sich Merkel an diesem Tag nicht aufs Glatteis führen. Sie sei für die komplette Legislaturperiode angetreten, beschied sie. „Alles weitere später“, sagte Merkel. Bei provokanten Fragen reagierte sie gereizt, wie der Korrespondent der Leipziger Volkszeitung, Dieter Wonka, erfahren mußte. Der Journalist, einer der Lautsprecher unter den Hauptstadt-journalisten, wollte von Merkel wissen, welchen Beitrag sie denn in den vergangenen Monaten zur Großen Koalition geleistet habe. Eine kontrollierte Frechheit. „Vielleicht fällt Ihnen etwas ein. Jedenfalls war ich beschäftigt“, antwortete die Bundeskanzlerin spitz.

Nur bei wenigen Fragen legte sie sich eindeutig fest. Etwa, ob der NSA-Whistleblower Edward Snowden doch noch Asyl in Deutschland bekommen werde (Nein, die Vorraussetzungen hierfür lägen nicht vor); ob es Chancen gebe, daß die kalte Progression abgebaut werde („Dafür gibt es keine Spielräume“) oder ob es vielleicht doch eine Koalition der CDU mit der AfD geben könnte („Nein“).

Schließlich konnte Merkel ausgerechnet der leidigen NSA-Affäre und den Endhüllungen Snowdens noch etwas Positives abgewinnen: „Wir haben Dinge erfahren, die wir zuvor nicht wußten. Das ist immer interessant.“ Zufrieden sah die Bundeskanzlerin dabei allerdings nicht aus.

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