© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Amazon-Kunden geraten ins Visier der Steuerbehörden
Wie die Aasgeier
Ronald Gläser

Wenn mich eine DVD interessiert, dann denke ich nicht zweimal darüber nach, sondern kaufe sie. Im Zweifelsfall läßt sich die Scheibe bei Amazon sofort wieder verkaufen. Mit Verlust zwar, aber die ganzen zehn oder zwölf Euro sind nicht unwiederbringlich weg. Und so kaufe und verkaufe ich gelegentlich bei Ebay oder Amazon Bücher, DVDs und andere Medien. Der Amazon-eigene Handel verlangt höhere Gebühren als die Auktionsplattform, aber dafür können Verkäufer manchmal höhere Preise verlangen.

Kaufen, verkaufen, Geld verdienen. Wo es um diese Dinge geht, da ist das Finanzamt nicht weit. Und seien die Umsätze noch so klein. Bei mir hat es 2008 mit einer Steuerprüfung angefangen: Die Beamtin runzelte die Stirn und unterstellte, ich würde möglicherweise ein Gewerbe betreiben, weil ich in einem Jahr einen niedrigen dreistelligen Betrag erlöst habe. Ein paar hundert Euro nur. Die Kosten hat sie natürlich nicht dagegengerechnet. Wie auch? Sie hat nur die Geldeingänge auf dem Konto gesehen und falsche Rückschlüsse gezogen. Damals verlief die Sache im Sande. Zum Glück. Es gibt Gerichtsurteile, die bereits jemanden als Profi-Verkäufer einstufen, der zweimal in der Woche etwas verkauft. Mit allen negativen Folgen wie dem Zwang zur Gewerbeanmeldung, einer möglichen Umsatzsteuerpflicht und Versteuerung des Gewinns.

Vermutlich bereitet der Fiskus jetzt den ganz großen Schlag gegen Amazon vor. Kürzlich kam eine E-Mail des Versandhauses: „Nach EU-Recht muß Amazon Payments Europe bestimmte Informationen von Verkäufern anfordern, um ihre Identität zu bestätigen.“ Auf der entsprechenden Seite folgte die Abfrage diverser Daten, darunter Geburtsdatum und Adresse. Besonders schön auch die Aufforderung, gegebenenfalls „Kopien der Strom-, Wasser- oder Gasrechnung und die Rechnung für den Telefonanschluß bereitzustellen.“

Die Tatsache, daß Amazon immer an die entsprechende Adresse liefert, scheint als Beweis nicht auszureichen. Ganz nebenbei war zu erfahren, daß Händler nun keine rezeptfreien Medikamente, keine Lesebrillen und „keine Erotikprodukte für Erwachsene“ (Erotikprodukte für Kinder gehen in Ordnung?) mehr anbieten dürfen, wenn sie keine entsprechende Lizenz haben. Die Erfassung der diversen Informationen und die wasserdichte Identifikation der Verkäufer kann nur einem Zweck dienen: endlich auch die Minibeträge besteuern zu können, die Verkäufer bei Amazon erlösen.

Die fünf Millionen Ebay-Nutzer sind schon länger im Visier der Steuerfahnder. Finanzämter sollen seit Jahren eine Spezialsoftware nutzen, um regelmäßigen Ebay-Verkäufern nachzujagen. Wie die Aasgeier stürzen sie sich nun auf die Amazon-Kunden. Wir alle, Käufer wie Verkäufer, werden den Schaden haben: mehr Papierkrieg, höhere Preise, geringere Erlöse und noch mehr Steuern.

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