© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Nein! Doch! Ohhh!
Film: Am 31. Juli wäre der französische Komiker Louis de Funès hundert Jahre alt geworden
Markus Brandstetter

Es gibt zwei Arten von Komikern: den einen stößt dauernd etwas zu, weil sie zu dumm für das Leben sind. Das sind die Typen, die mit der Frau des Chefs im Bett erwischt werden, betrunken und voll mit Drogen die Hochzeit des besten Freundes versäumen oder als Mohrrübe verkleidet auf einer Party von Transsexuellen aufkreuzen.

Der Humor dahinter ist grob, böse und voller Schadenfreude. Die Zuschauer lachen nicht über sich selber, sondern über andere, und freuen sich, wenn denen etwas zustößt. Die Amerikaner nennen so etwas Slapstick, und ausgehend von Hollywood haben Slapstick-Filme die Komödien auf der übrigen Welt verdrängt und verflacht.

Daneben aber gibt es eine ältere Spielart von Humor, in der die Komödianten ihren Witz aus Handlungen gewinnen, die schiefgehen. Hier stürzen die Darsteller durch Falltüren, sie rutschen auf Bananenschalen aus, und mit dem Auto fahren sie immer auf den Laster hinten drauf, der passend vor ihnen parkt. Hier lachen die Darsteller und mit ihnen die Zuschauer nicht andere Menschen aus, hier stehen nicht Spott, Hohn und Schadenfreude im Vordergrund, sondern die tragikomische Einsicht, daß die Welt eine Komödie, das Leben unvollkommen und die Menschen Pechvögel sind.

Die Tradition dieser Art von Komödie reicht Jahrhunderte zurück. Einen Höhepunkt erreichte dieser Humor in der italienischen Commedia dell’arte in Barock und Renaissance, und als solcher ist sie bis ins 19. Jahrhundert in der komischen Oper lebendig. Die Vertreter dieses Komödientyps heißen Buster Keaton und Charly Chaplin, alle großen Clowns gehören dazu, die Marx Brothers ebenso wie Heinz Rühmann – der Hauptmann von Köpenick ist auch so ein Typ – und natürlich Jacques Tati, der als stummer Postbote mit seinem Rad und der Welt kämpft.

Ein besonders charmanter Vertreter dieser Komiker-Spezies ist der am 31. Juli vor hundert Jahren geborene französische Komiker Louis de Funès, der vor allem als Polizist von Saint-Tropez im Gedächtnis der deutschen Fernsehzuschauer geblieben ist. In den 1970er Jahren war dieser 1,60 Meter kleine Choleriker mit der spitzen Nase und den hektischen Gebärden eine der bekannteren französischen Schauspieler im deutschen Fernsehen.

Louis de Funès war spanischer Abstammung, sein Vater war ein nach Frankreich emigrierter Rechtsanwalt, der früh starb, während seine Mutter dem jungen Louis nicht nur Klavierunterricht gab, sondern mit ihren übertriebenen Gesten und wilden Ausrufen auch seine komödiantische Ader weckte. In seinen Erinnerungen sagt er über sie: „Ihre ganze Art und ihr Handeln ließen, ohne daß sie es wußte, das Talent zur Bühne erkennen.“

Welcher Komödiant hätte die Schule verlassen mit dem Berufswunsch, Komödiant zu werden? Kaum einer, und deshalb sollte de Funès wie sein Bruder zuerst Kürschner werden. Aber die 1930 begonnene Lehre ging schnell zu Ende, weil der junge Mann mit Schabernack, Klamauk und Streichen das Zurechtschneiden und Zusammennähen der Pelze andauernd störte. Nach nur zwei Jahren meldete ihn seine Mutter deshalb in der École nationale supérieure Louis-Lumière an. Das ist die berühmteste französische Filmhochschule, die so unterschiedliche Leute wie der Mantel- und Degen-Regisseur Philippe de Brocca, Fred Zinnemann („Zwölf Uhr mittags“) und Jean-Jacques Annaud („Der Name der Rose“) absolviert haben.

Aber auch hier hält de Funès es nicht lange aus, nach zwei Jahren fliegt er wegen „Brandstiftung“ (mit Knallfröschen) von der Schule. Inzwischen ist die Weltwirtschaftskrise ausgebrochen, halb Frankreich hat keine Arbeit. De Funès schlägt sich als Schaufensterdekorateur, Schuhputzer und Parkettabschleifer durch, abends spielt er in kleinen Clubs Jazz-Piano. Mit 28 Jahren beschließt er, Komödiant zu werden, geht auf die Schauspielschule, spielt bald Moliére, tritt in Komödien und Revuen auf. 1945 kommt er zum Film, doch die Karriere läßt auf sich warten. Zwanzig Jahre lang ernährt er seine Familie mit Kleinst- und Nebenrollen, aber er lernt dabei Produzenten und Regisseure kennen.

Im Jahr 1964, da ist er schon fünfzig, dreht Louis de Funès in vier Monaten drei Filme, die alle zu Kino-Klassikern wurden: „Der Gendarm von Saint-Tropez“ (als Hauptdarsteller), „Fantomas“ (neben Jean Marais) und „Louis, das Schlitzohr“ (mit dem damals viel berühmteren Bourvil). Die drei Filme rufen eine Sensation hervor, de Funès ist über Nacht einer der bekanntesten Schauspieler Frankreichs und der witzigste gleich dazu. Die Rolle des sittenstrengen, altmodischen, ständig zornentbrannten und nebenbei faulen und spießigen Gendarmen Ludovic Cruchot, der mit einer zickigen Frau, einer pubertierenden Tochter, strengen Vorgesetzten und dummen Untergebenen klarkommen muß, wird de Funès’ Markenzeichen bis zu seinem Tod bleiben.

Jetzt geht es Schlag auf Schlag: Mit der turbulenten Komödie „Die große Sause“, die in Frankreich siebzehn Millionen Zuschauer in die Kinos lockt, ist Louis de Funès 1966 endgültig als Superstar etabliert. Ab Mitte der sechziger Jahre ist er der populärste Filmkomiker Frankreichs und hat Stars wie Fernandel und Bourvil abgelöst. Der Typus des cholerischen Kleinbürgers, der gegenüber den Vorgesetzten kuscht, aber seine Untergebenen tyrannisiert, heimlich FKK-Anhänger durchs Fernglas beobachtet, selber aber stets konservativ und spießig auftritt, begeisterte ein Publikum, das diesen Zwiespalt der Werte im eigenen Leben vorfindet.

Außer in Frankreich ist de Funès auch in Deutschland enorm beliebt. Sein kongenialer Synchronsprecher Gerd Martienzen versteht es hervorragend, de Funès’ Stakkato-Rufe („Nein! Doch! Ohhh!“, „Bretter, Bretter, Bretter“) zu vermitteln; dafür sind viele deutsche Filmtitel („Balduin das Nachtgespenst“, „Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe“) selten dämlich gewählt.

Als Privatmensch war de Funès konservativ und eher still, er züchtete Rosen im Garten seines 30-Zimmer-Schlosses an der Loire bei Nantes. Am 27. Januar 1983 starb er dort an den Folgen eines Herzinfarkts. Läuft heute einer seiner besten Filme im französischen Fernsehen, dann sitzt immer noch die halbe Nation davor.

Foto: Louis de Funès (r.) in „Balduin, der Schrecken von St. Tropez“ (1970): Gegenüber den Vorgesetzten kuschen, aber Untergebene tyrannisieren

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen