© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Alexander von Humboldt als Ikone der Völkerverständigung
„Stoff von hoher Political Correctness“: Ein Jahrhundertankauf und seine kulturpolitische Begleitmusik
Dirk Glaser

Am Laufsteg hält sich Klaus Wowereit, Berlins „Partyprinz“, lieber auf als in Bibliotheken. Aber im letzten März war gerade keine „Fashion Week“ und bei der Feier, zu der ihn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz eingeladen hatte, konnte sich der Regierende Bürgermeister schlecht drücken. Immerhin ging es darum, einen im Rara-Lesesaal der Staatsbibliothek Unter den Linden präsentierten „Jahrhundertankauf“ gebührend zu würdigen.

Wowereit erschien denn auch, fremdelte aber sichtlich inmitten des Massenaufgebots an „Kulturträgern“, amtierenden wie Johanna Wanka und Monika Grütters, gewesenen wie Bernd Neumann (CDU), von 2005 bis 2013 Angela Merkels Kulturstaatsminister, der den Erwerb der nun unter Glas zu bestaunenden „Amerikanischen Reisetagebücher“ Alexander von Humboldts eingefädelt hatte. Für zwölf Millionen Euro, aufgebracht auch mit Hilfe der Erstligisten der deutschen Stifterwelt, übergab ein Nachfahre des Universalgenies diese 4.000 eng beschriebenen, in neun Lederbände eingebundenen Seiten in die Obhut der Staatsbibliothek, wo man weitere drei Millionen Euro bereithält, um sie im editorischen Großprojekt zu erschließen.

Ein derart extraordinärer Aufwand von Steuergeldern muß öffentlich legitimiert werden. In den routinierten Festreden von Bundesforschungsministerin Wanka (CDU) und Neumann-Nachfolgerin Grütters (CDU) mißglückte dies gründlich. Martin Hollender, Referent in der Generaldirektion der Staatsbibliothek, liefert die Rechtfertigung des Millionengeschäfts daher mit einiger Verspätung nach (Bibliotheksmagazin. Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München, 2/2012).

Und weit über seinen Auftrag hinaus ist Hollender ein Text gelungen, der tiefe Einblicke ins platte, dreist klitternde bundesdeutsche Verständnis von Kultur und Geschichte vermittelt. Das viele Geld, so erläutert er den Kosmopolitismus unseres „weltoffenen“ Kulturmanagements, sei gut angelegt, weil die Manuskripte „ein modifiziertes Bild deutschen Einflusses auf das Weltgeschehen“ zeichnen. Humboldt, das sei der in Lateinamerika verehrte Deutsche als Entdecker, nicht als Eroberer und Plünderer, ein Forscher ohne den Makel von „Ausbeutung und Sklaverei“. Er biete den biographischen Stoff, der „von hoher Political Correctness“ zeuge, mit dem sich unsere exportorientierte Wirtschaft identifizieren, mit dem man kulturpolitisch werben könne. Der Naturforscher Humboldt stehe für die „Faszination für fremde Welten“, für „Toleranz gegenüber anderen Ethnien“, sei daher, zusammen mit Bruder Wilhelm, der ideale Namenspatron für das bald im wiederaufgebauten Berliner Schloß installierte „Humboldt-Forum“, das dem „Dialog der Weltkulturen und der Völkerverständigung“ dienen solle.

Mit dem devoten preußischen Monarchisten, der einer elitären Bildungsreligion anhing, wie Bruder Wilhelm, mit dem bei aller Toleranz doch Völker und Nationen in Rangstufen sortierenden Europäer, hat dieser zum Ahnherrn des BRD-Multikulturalismus und Exportförderer einer politisch verzwergten Wirtschaftsnation degradierte Humboldt wenig zu tun. Aber für einen derart politisch Unkorrekten hätte man eben nicht 15 Millionen investiert.

staatsbibliothek-berlin.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen