© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  31-32/14 / 25. Juli 2014

Neun Monate für eine „empörende“ Äußerung
Frankreich: Ex-Politikerin des Front National wegen Affenvergleich zu Haft- und hoher Geldstrafe verurteilt
Friedrich-Thorsten Müller

Das Urteil schlug ein wie eine Bombe. Neun Monate Haft ohne Bewährung für die frühere FN-Lokalpolitikerin Anne-Sophie Leclère, die Frankreichs dunkelhäutige Justizministerin Christiane Taubira mit einem Affen verglichen hatte. Zudem erhielt die 33jährige Politikerin eine Geldstrafe von 50.000 Euro, und ihr wurde für fünf Jahre das passive Wahlrecht aberkannt. Darüber hinaus verhängte das Gericht gegen den Front National, für den Leclère als Listenführerin in der 8.000-Einwohner-Gemeinde Rethel (Ardennen) kandidierte, eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro.

Der FN hatte die Lokalpolitikerin, nachdem sie im vergangenen Oktober auf Facebook das Bild eines Affenkindes zusammen mit dem Porträt Taubiras veröffentlicht hatte, („Taubira mit 18 Monaten und heute“), aus der Partei ausgeschlossen. Das Urteil sprach in erster Instanz ein Gericht im französischen Übersee-Departement Guayana, aus dem die Justizministerin stammt und dessen Bevölkerung zu zwei Dritteln aus Farbigen besteht.

Urteil stellt Frage nach den Relationen

Sowohl Leclère als auch der FN kündigten an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Für den FN äußerte sich der Abgeordnete und Anwalt Gilbert Collard, der das Urteil der jüngst erfolgten Verurteilung eines Kinderschänders zu nur sechs Monaten Haft gegenüberstellte. Auch stellte er die Frage, wie man künftig zum Beispiel mit Jean de La Fontaines Fabeln umgehen wolle, wenn – wie das Gericht urteilte – Vergleiche von Menschen mit Tieren in Frankreich strafbar sein sollten. Die Verurteilung eines Bürgers ohne jegliche kriminelle Vergangenheit zu einer solchen Strafe sei völlig inakzeptabel. „In erster Instanz hätte ich das nicht getan, aber für die Berufung biete ich an, Frau Leclères Verteidigung zu übernehmen“, äußerte Collard weiter.

Darüber hinaus bekundete er, keine Grundlage für die Verurteilung des FN zu sehen. Schließlich habe der Front National mit dem Parteiausschluß Leclères sofort seine Konsequenzen gezogen und könne darüber hinaus nicht für Meinungsäußerungen einzelner Mitglieder verantwortlich gemacht werden.

Auch von der bürgerlichen UMP kam teilweise Kritik an dem Urteil: Der Abgeordnete Christian Estrosi mahnte an, daß wenn, dann mit der gleichen Härte bei allen Beleidigungen vorgegangen werden müsse, was bislang nicht der Fall sei. Für die Regierung erklärte deren Sprecher Stéphane Le Foll, das Urteil nicht bewerten zu wollen. Gleichwohl seien die Äußerungen Leclères – die außerdem noch bekundet hatte, Taubira „lieber auf einem Baum als in der Regierung“ zu sehen – untragbar und empörend gewesen.

Leclère selbst wehrt sich gegen die Behauptung, ihre Äußerungen seien rassistisch gemeint, räumte aber selbst ein, daß sie „ungeschickt“ gewesen seien. Darüber hinaus bekundete sie, selbst dunkelhäutige Freunde zu haben.

Ein ähnliches Verfahren wird am 24. September in Paris gegen die rechtsextreme Wochenzeitung Minute entschieden. Diese hatte nach dem Publikwerden des Affenvergleichs mit dem Konterfei Taubiras und dem polemischen Titel „Schlau wie ein Affe – Taubira hat die Banane wieder gefunden“ aufgemacht, was im Französischen ohne diesen Kontext unverfänglich bedeutet, daß sie ihr Lächeln wiedergefunden habe. Mehrere Anti-Rassismus-Organisationen erstatteten daraufhin Anzeige.

Hintergrund für die teilweise massiven Anfeindungen gegen die linke Justizministerin ist deren politische Zuständigkeit für die Einführung der „Homoehe“ in Frankreich, die im vergangenen Jahr Hunderttausende Gegendemonstranten mobilisierte. Auch wird Christiane Taubira von vielen französischen Patrioten ihr früheres militantes Eintreten für die Unabhängigkeit Französisch-Guayanas vorgeworfen. Der Vater ihrer vier Kinder, von dem sie heute getrennt lebt, saß sogar wegen Terrorismus 18 Monate im Gefängnis. Sie waren in den 1970er Jahren zeitweilig gemeinsam untergetaucht. Nicht jeder nimmt ihr heute die Distanzierung von dieser Zeit ab, zumal sie immer wieder dadurch auffällt, die Nationalhymne nicht mitzusingen.

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