© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

„Konservative lachen gern“
Gibt es einen konservativen Humor? Ist konservatives Kabarett möglich? Mit seinem neuen Programm erkundet Erfolgskabarettist Ludger Kusenberg Brettl-Neuland.
Moritz Schwarz

Herr Kusenberg, konservatives Kabarett? Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?

Kusenberg: Wie meinen?

Konservative haben doch keinen Humor und gehen zum Lachen in den Keller.

Kusenberg: Dann muß ich öfter in Kellertheatern auftreten.

Sie bestreiten das Klischee nicht?

Kusenberg: Klischees gibt es deshalb, weil sie oft stimmen. Wenn behauptet wird, Konservative seien meist verkniffene alte Säcke ohne Sinn für Mode, so deckt sich das in etwa mit meinen Beobachtungen. Aber was soll’s?

Demnach sind Konservative als Kabarettpublikum ungeeignet?

Kusenberg: Mitnichten! Man muß sie da abholen, wo sie sind – zur Not im Altersheim. Ihr Humor will entdeckt werden.

Was bedeutet?

Kusenberg: Jan Fleischhauer schreibt, Linke hätten wenig Humor – das habe ich auch festgestellt. Bei ihnen ist das Lachen oft mit dem verbunden, was sie erwarten. Im linken Kabarett werden am liebsten Bestätigungsfloskeln abgespult, und dann gibt es Gesinnungsapplaus. Konservative dagegen lachen gerne, wenn sie sich selbst bei einem Erkenntnisgewinn ertappen. Den muß man liefern!

Und das klappt?

Kusenberg: Ich habe mit meinem Programm „Hilfe, ich werd’ konservativ!“ unlängst als bester reiner Wortkabarettist den dritten Platz bei der sogenannten „Kabarettbundesliga“ erreicht, ein deutschlandweiter Wettbewerb. Über die Plazierung entscheidet keine Jury, sondern allein das Publikum. Oft profitiere ich von dem Effekt, daß es viele Konservative gibt, die gar nicht wissen, daß sie konservativ sind. Das sind die klassischen „Willy wählen“-Rotweintrinker, die sich immer noch dem linken Spektrum zugehörig fühlen; wenn sie dann in meinem Programm mit bestimmten Einschätzungen konfrontiert werden, merken viele von ihnen plötzlich, daß die Bezeichnung konservativ auch für sie zutreffen könnte.

„Hilfe, ich werd’ Konservativ!“ – Ihr Programmtitel klingt, als wären Sie von einer Krankheit befallen.

Kusenberg: Ja, ich sehe das in der Tat als eine Art Krankheit an. Erkenntnis ist wie ein Krebsgeschwür, sie bildet überall Metastasen.

Ist Heilung in Sicht?

Kusenberg: Ich will gar nicht geheilt werden. Natürlich war das Leben vor meiner konservativen Erkrankung unbeschwerter: Jeans, Cola, US-Filmstars bewundern und unreflektiert die Phrasen nachplappern, die einem vorgesetzt werden. Andererseits ist es für ein in die Jahre gekommenes Boygroupmitglied wie mich auch mal an der Zeit, das Leben als Berufsjugendlicher zu beenden und als Konservativer in Würde zu altern. Und die geistige Befreiung, die mit meiner konservativen Krankheit einhergeht, möchte ich mir nicht mehr nehmen lassen. Im Grunde ist es so wie Mario Basler mal gesagt hat: „Jede Seite hat zwei Medaillen.“

Wie hat das bei Ihnen angefangen?

Kusenberg: Es war Zufall. Oder Schicksal? In der Bibliothek meines verstorbenen Vaters blätterte ich eines Tages wahllos in ein paar Büchern herum – eigentlich, weil ich alles wegschmeißen wollte, damit meine Mutter mehr Platz für die Wäschespinne hat. Ich fing also wahllos an zu lesen, was Philosophen, Politiker und Ökonomen so vor hundert Jahren geschrieben hatten und kam nicht mehr davon los, bis heute, es ist wie eine Sucht. Mein Kniff im Programm: Ich bringe aktuelle Erscheinungen wie Euro-Krise, Politikverdrossenheit oder Sprachbigotterie mit Analysen und Prognosen aus vergangenen Zeiten zusammen – mit teils faszinierenden Effekten. Es geht mir also eher um zeitübergreifende Entlarvungen, weniger um klassische Tabubrüche.

Allerdings muß Kabarett schon an Grenzen gehen, und das kann konservatives Kabarett nicht, weil sonst gleich die Antifa oder die Polizei auf der Matte steht. Gibt es keinen politisch empörten Protest bei Ihnen?

Kusenberg: Diejenigen, die sich beschweren, sind meist der Typ deutscher Studienrat – die beschweren sich auch, wenn’s im Hotel keine laktosefreie Milch zum Frühstück gibt. Eine Protestkundgebung mit Farbbeutelwürfen und halbnackten Femen-Aktivistinnen, so wie Sie es andeuten, das würde ich mir vorm Theatereingang fast wünschen – stellen Sie sich mal die Bilder in der Tagesschau vor, herrlich! Doch vermutlich sind meine Texte dann doch zu nah an der Wissenschaft, und die Wahnwitzigkeit der aktuellen Politischen Korrektheit etwa macht’s einem grad auch unglaublich leicht. Spätestens seit diese sich bevorzugt mit Absurditäten wie dem Verbot des Zigeunerschnitzels beschäftigt, bietet sie jede Menge offene Flanken. Da lachen dann auch die Linken – im Keller nebenan.

Aber stellen Sie sich bitte mal schonungslose Späße etwa über Ausländer vor, so wie linkes Kabarett Späße über Deutsche macht – da sind Sie doch schnell beim Straftatbestand der Volksverhetzung.

Kusenberg: Ein interessanter Punkt. Witze über Holländer, Österreicher, Amis oder Franzosen werden in Deutschland bedenkenlos durchgewinkt, da kann das Gesagte noch so abgedroschen sein. Wer aber beim Anknipsen seiner Spottlichter das Abendland verläßt, muß mit Ärger rechnen – diese Haltung finde ich diskriminierend. Jeder hat ein Recht darauf, verarscht zu werden!

Bei Ihnen gibt es also auch Pointen über Einwanderer oder den Islam?

Kusenberg: Ja, aber es ist nicht mein Ziel, über irgendwen herzuziehen. Mein Ziel ist, gesellschaftliche Phänomene zu reflektieren, und da geraten dann auch Einwanderer oder Moslems ins Visier. Aber nicht weil sie Einwanderer oder Moslems sind, sondern Teil des von mir reflektierten Phänomens. Meine Kritik landet letztlich meist beim Deutschen.Wenn Herr Erdogan zum Beispiel in der Kölnarena einen auf Robbie Williams macht, so sage ich: Er nimmt seine Interessen wahr und nutzt alle Rechte, die ihm gewährt werden, warum sollte ich ihm das verübeln? Ich hege auch keinen Groll gegen Armutsflüchtlinge, die in den Dortmunder Norden ziehen – meinen Zorn schenke ich lieber deutschen Politikern, die all das zu verantworten haben und selber in noblen Vororten leben, wo sie vor den Folgen ihrer Fehlentscheidungen sicher sind. Täglich brechen deutsche Politiker ihren Eid – das sind die wahren Verbrecher!

Allerdings gelten gerade die Kultur der Einwanderer und der Islam manchem als letzte konservative Bastionen.

Kusenberg: Ja, ich weiß natürlich, daß es unter Hardcore-Konservativen auch eine Sympathie für die Kultur der Einwanderer und deren strenge Werte gibt, aber das ist nicht mein Ansatz. Mein Ansatz ist eher, hiesige Selbsterhaltungskräfte zu wecken, wie Sie unter den Einwanderern selbstverständlich sind. Nebenbei weise ich dann gern darauf hin, daß vor allem junge Türken in Deutschland gar keinen Bock darauf haben, von gräßlichen grünen Politiker-Frauen verhätschelt zu werden. Manchmal darf’s ruhig auch brachial werden, finde ich, aber in meinem Programm gibt es wenig „hohoho!“, wie Sie das sonst oft im Kabarett finden.

„Hohoho“?

Kusenberg: „Hohoho!“ ist dieses Schocklachen über vermeintlich Verbotenes, etwa wenn jemand eine Hitlerparodie macht oder Witze über Rollstuhlfahrer reißt. Mein Humor ist weniger „hohoho!“ als „aha!“ Ich bin übrigens auch gar nicht gegen jede Form der Politischen Korrektheit im Alltag, ganz im Gegenteil. Wenn diese aber zum Selbstzweck wird, es ihr nur noch um Selbstinszenierung geht und sie nicht mehr dazu dient, Wehrlose zu schützen, sondern dazu, Macht durch Sprache umzusetzen, dann sollten sich eigentlich alle über sie lustig machen.

Ist konservatives Kabarett eigentlich tatsächlich so neu? Dieter Nuhr etwa wird von einigen Konservativen heimlich als einer der Ihren gehandelt. Zu Recht?

Kusenberg: Der erste „klammheimliche“ konservative Kabarettist war Harald Schmidt. Und ja, auch bei Dieter Nuhr – und sogar vereinzelt bei Volker Pispers – gibt es Nummern, bei denen ich echt staune. Genaugenommen ist das gar nicht so verwunderlich, denn auch das Kabarett hat sich verändert, und ebenso wie es in der Gesellschaft eine Tendenz gibt, die Dinge zu hinterfragen, gibt es diese auch im Kabarett.

Laut der Wochenzeitung „Freitag“ ist Dieter Nuhr kein echter, sondern ein „Schein-Kabarettist“, ein „islamophober, intellektuellenfeindlicher Linken-Fresser und Westentaschenmephisto“ für „latente Mittelschichts-Nazis“.

Kusenberg: So einen Verriß hätte ich auch gerne mal!

Nuhr moderiert inzwischen in der ARD den „Satire-Gipfel“, die Nachfolgesendung von Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“. Ist den Konservativen also vielleicht sogar schon der Durchbruch gelungen?

Kusenberg: Da bin ich vorsichtig, Dieter Nuhr ist schon ganz oben angekommen – wenn er konservative Bekenntnisse wagt, dann kann er sich das leisten. Ob Konservative wirklich toleriert werden, das zeigt sich erst, wenn auch kleinere Lichter an kleineren Bühnen keine Probleme bekommen. Das kann ich noch nicht abschließend beurteilen. Ich würde mir wünschen, daß es bei uns eines Tages mal wie in den USA zugeht, wo Linksliberale gezielt Ultrakonservative in ihre Sendungen einladen und umgekehrt, weil sie Lust an der Kontroverse haben.

Welche Erfahrungen machen Sie? Erleben Sie Ausgrenzung?

Kusenberg: Man sollte Ausgrenzung, sofern sie einem widerfährt, nicht immer mit dem eigenen Querdenken aufwerten. Im Ernst: Es gibt Leute, die mich mögen, und solche, die mich nicht mögen, ganz einfach! Vielleicht ist es mein Vorteil, daß ich als Konservativer nicht ganz so scheiße aussehe wie Roland Koch. Außerdem bin ich kein klassischer, sondern – wie gesagt – ein erkrankter Konservativer, das ist auch ein Vorteil.

Inwiefern?

Kusenberg: Wer schon als Vierzehnjähriger anfängt, konservativ zu sein, der schottet sich notgedrungen ab und hat am Ende nur noch die zwanzig Quadratmeter Deutschland seiner Bücherstube. Dann werden Sie rasch von niemandem mehr ernst genommen. Als Geläuterter dagegen zieht man viel eher die Aufmerksamkeit auf sich. Die Leute wollen dann wissen, was mit einem passiert ist. Mich kennt man in der Szene schon ein paar Jahre – wenn ich mich jetzt weiterentwickele, so wecke ich eher Interesse als Befremden.

Sie kommen wirklich so damit durch?

Kusenberg: Na ja, Thilo Sarrazin sagt auch, er bekäme nur positive Rückmeldung und tatsächlich gibt’s ständig auf die Fresse. Natürlich provoziere ich in meinem Umfeld auch Diskussionen – allein so ein Interview hier in der JUNGEN FREIHEIT, uiuiui ... Erstaunt bin ich darüber, daß meine ausführliche Behandlung der deutschen Geschichte trotz neuer Sicht auf heikles Terrain bislang ausschließlich positive Resonanz erfährt. Offenbar ist der Bedarf an einem Knopp-freien Blick sehr groß. Vielleicht komme ich mit meinen Inhalten auch deshalb durch, weil ich keiner bin, der nach der nächstbesten Pointe greift, sondern – und das halte ich für eine konservative Tugend – nach der verborgenen Pointe sucht.

Heißt?

Kusenberg: Viele greifen bevorzugt nach der ersten Pointe, die am Wegesrand steht und sich wie eine Hure anbietet. Erst die verborgene Pointe aber kann überraschen und zum Nachdenken anregen. Die Kollegen Uthoff und Wagner in der „Anstalt“ gehen so vor, die finde ich, trotz mancher inhaltlicher Differenzen, klasse! Und das sage ich, obwohl ich weiß, daß mich beide für einen selbstverliebten Schnösel halten – was ich irgendwie ja auch bin.

 

Ludger Kusenberg, der mehrfach ausgezeichnete Kabarettist mit dem Künstlernamen „Ludger K.“ präsentiert sein neues Programm „Hilfe, ich werd‘ konservativ!“ vom 21. bis 23. August im Berliner Comedy-Club „Kookaburra“. Danach folgen weitere Stationen in Duisburg, Köln, Münster, Hannover oder Zürich. Parallel spielt er sein bisheriges Programm „RTL ist alles schuld!“ unter anderem in Düsseldorf, Mönchengladbach, Hamburg und Lübeck. Bekannt wurde Kusenberg – „der Meister der kleinen Bosheiten mit seiner cleveren Mischung aus klassischem Politikkabarett und Stand-up-Comedy“ (Hannoversche Allgemeine) – vor allem durch seine Auftritte im „Quatsch Comedy Club“, der „Kabarettbundesliga“, im Kulturfernsehsender 3sat, dem WDR und dem Deutschlandfunk. Ab September werden Ausschnitte aus seinen Programmen bei Youtube und Ende des Jahres „Hilfe, ich werd‘ konservativ!“ auf CD erscheinen. Geboren wurde Ludger Kusenberg 1972 in Duisburg.

www.ludger-k.de

Foto: Kabarettist Kusenberg: „Für ein in die Jahre gekommenes Boygroupmitglied wie mich ist es an der Zeit, das Leben als Berufsjugendlicher zu beenden und als Konservativer in Würde zu altern“

 

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