© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Kraftlos in Düsseldorf
Nordrhein-Westfalen: Die SPD-Ministerpräsidentin erweist sich als überschätzt
Paul Humberg

Erhebt die burschikose Hannelore Kraft (SPD) den Verfassungsbruch zum Regierungsprinzip? Diesen Eindruck kann gewinnen, wer sich die hemdsärmelige Haushaltspolitik der rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf anschaut. Erst jüngst hat das Landesverfassungsgericht die Tricksereien bei der Besoldung der Beamten als verfassungswidrig verworfen. Könnte sich Nordrhein-Westfalen nicht über historisch satte Steuereinnahmen freuen, sähe die Leistungsbilanz der Regierung Kraft noch verheerender aus.

Insofern könnten die rund 17,6 Millionen Landeskinder es durchaus als Drohung verstehen, daß die 53 Jahre alte Sozialdemokratin aus Mülheim an der Ruhr allen bundespolitischen Ambitionen öffentlich und mehr als deutlich eine Absage erteilt hat. Kraft will nicht an den Pforten des Kanzleramtes rütteln. Daß sie Sigmar Gabriel kampflos das Feld überläßt, kaschierte sie mit einigen spitzen Bemerkungen über das angeblich so rauhe Klima in Berlin. Dafür ist sich Kraft, die immerhin auch Vizevorsitzende der Bundes-SPD ist, offenbar zu schade.

Endloser Strukturwandel

Angesichts von NRW-Negativrekorden (das Land hat bundesweit die meisten Staus, die höchsten Schulden und eine schon fast „ostdeutsche“ Arbeitslosenquote von 8,2 Prozent) fragen sich die politischen Beobachter: Kann Kraft überhaupt Ministerpräsidentin? Es wird schon von der „Selbstentzauberung der Hannelore Kraft“ gesprochen, die zum jetzigen Zeitpunkt wohl keine reale Chance hätte, in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Vizekanzler Gabriel auch nur annähernd gefährlich zu werden. Daß Kraft neben Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD)und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) konstant zu den beliebtesten Politikern im Lande gehört, ist vielleicht dem Umstand geschuldet, daß vielen Bürgern zur Schau gestellte „Menschlichkeit“ wichtiger ist als Kompetenz.

Zu Krafts genialen PR-Sprüchen gehört der auf die Schulpolitik gemünzte Slogan „Kein Kind zurücklassen“. Ihre fast 18 Millionen Landeskinder hat sie schon längst zurückgelassen, denn im Vergleich zu Bayern oder Baden-Württemberg wird Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland unter Wert regiert. Daß sie bis zur nächsten Landtagswahl 2017 noch große Erfolge aus dem Hut zaubern könnte, ist momentan nicht anzunehmen. Denn ihrer Regierung mangelt es an Mut, einem Konzept aus einem Guß und hochkarätigen Persönlichkeiten in der mediokren Ministerriege.

Es kommt auf die Wirtschaft an, gerade in dem Malocherland an Rhein und Ruhr. Doch während sich zum Beispiel Südwestfalen oder das Münsterland durchaus positiv entwickeln, stagniert das rote Ruhrgebiet seit Jahren. Die Dauerausrede vom Strukturwandel wird immer unglaubwürdiger, denn andere Bundesländer wie Bayern haben die Modernisierung ja auch hingekriegt. Daß insbesondere rote Regierungen in Düsseldorf gern das Geld ins Ruhrgebiet pumpen und Regionen wie das Sauerland oder das Bergische Land deutlich schlechter behandeln, hat an der Misere nichts geändert. Wie ein entmündigtes Entwicklungsland hat sich das Ruhrgebiet in Dauerarbeitslosigkeit, Bevölkerungsschwund und finanzieller Abhängigkeit eingerichtet. Nach jüngsten Prognosen wird die Zahl der Jobsuchenden in NRW anders als im Bundestrend 2014 nicht leicht sinken, sondern steigen. Lange wird Kraft, die das Land immerhin schon seit 2010 regiert, ihre ungebrochene Popularität gegen diese miesen Zahlen nicht mehr in die Waagschale werfen können. In der Landes-SPD ist aber niemand zu erkennen, der Kraft nachfolgen könnte, sollte sie auch als Ministerpräsidentin und nicht nur als Kanzlerkandidatin für zu leicht befunden werden.

Natürlich kann nicht Kraft allein für die schlechte Arbeit ihrer Mannschaft verantwortlich gemacht werden. Ein personeller Schwachpunkt ihrer Regierung ist sicher der phantasielose Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der trotz üppig sprudelnder Steuerquellen das Heil in immer mehr Schulden sieht.

Bundespolitische Selbstverzwergung

Der CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet sagte kürzlich in einem Interview, seine Frau habe ihm das Buch „Die Schlafwandler“ ins Sommergepäck gesteckt. Gemeint ist aber keine Analyse der rot-grünen Landesregierung, die einen Eindruck des Schlafwandelns und Durchwurschtelns vermittelt, sondern das Buch des australischen Historikers Christopher Clark über die Ursachen des Ersten Weltkrieges. Krafts Regierungsstil hält der ehrgeizige Laschet dennoch für „ziellos und wenig konzeptionell“. Frühere Ministerpräsidenten wie Jürgen Rüttgers (CDU), Peer Steinbrück, Wolfgang Clement und Johannes Rau (alle SPD) hätten in Bonn beziehungsweise Berlin „kräftig auf den Tisch gehauen für unser Land“. Eben dies kann Kraft wegen ihrer „Selbstverzwergung“ und übereilten Absage an alle bundespolitischen Ambitionen nicht mehr. Sie wird von ihren Genossen im Bund nicht mehr ernst genommen, zumal sie auch in Düsseldorf schon lange keine positiven Nachrichten mehr produziert.

Hannelore Kraft ist wie der Scheinriese Turtur in „Jim Knopf“. Je näher man ihr kommt und je intensiver man ihr Regierungshandeln unter die Lupe nimmt, um so kleiner wird sie. Wann wird selbst Düsseldorf zu groß für die einst Hochgelobte sein?

Foto: Hannelore Kraft im Mai beim Besuch des niederländischen Königspaares: Ständiges Durchwurschteln

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