© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Federnd, funkelnd, virtuos und spritzig
Klassik: Die Pianistin Catherine Gordeladze hat Werke US-amerikanischer Komponisten eingespielt
Markus Brandstetter

Stellen wir uns einmal vor, Johannes Brahms hätte im 20. Jahrhundert gelebt und wäre um 1950 nach New York ausgewandert. Was hätte er da komponiert? Nun, vielleicht eine Klaviersonate, die sich so anhört wie die es-Moll-Sonate von Samuel Barber, die die deutsch-georgische Pianistin Catherine Gordeladze (Jahrgang 1971) auf ihrer neuen CD spielt.

Barber (1910–1981) )ist neben Ives, Gershwin und Bernstein der bekannteste „klassische“ Komponist aus Amerika und einer der beliebtesten dazu. Sein Adagio für Streicher dient in vielen Filmen als Musik und ist eines der wenigen Orchesterstücke aus dem 20. Jahrhundert, das sich seit Jahrzehnten im Repertoire hält.

Barbers einzige Klaviersonate ist ein großes, technisch extrem schweres, ausgreifendes Werk, das Vladimir Horowitz gewidmet ist und von dem 1949 auch uraufgeführt wurde. Es ist eine harmonisch atonale, sonst aber an großen klassischen Vorbildern orientierte viersätzige Komposition, die mit einer aberwitzig virtuosen dreistimmigen Fuge schließt, die vermutlich sogar Bach überzeugt hätte. Eine teilweise auch in Deutschland ausgebildete Pianistin, die ein solch massives und anspruchsvolles Werk spielt, hat allein deshalb Respekt verdient.

Nach dem Barber geht es unterhaltsamer und durchaus tonal weiter. Da hätten wir am Anfang vier Stücke von Louis Moreau Gottschalk (1829–1869), den man den Chopin aus New Orleans genannt hat. Dieser Gottschalk war nicht nur der erste amerikanische Pianist und Komponist, der auch in Eu-ropa Erfolg hatte – Berlioz und Chopin schätzten ihn –, sondern auch der erste, der Habanera- und Tango-Rhythmen und synkopierte Melodien in der rechten Hand über einer akkordischen Begleitung in der Linken einsetzte, womit wir schon fast beim Ragtime sind.

Catherine Gordeladze spielt mit federndem Rhythmus und Bravour das funkelnde Passagenwerk, das Gottschalk auf seinen Konzertreisen quer durch Nord- und Südamerika berühmt gemacht hat. Das sind keine tiefen, ernsten Stücke, sondern melodiöse, manchmal sentimentale und ein bißchen parfümierte Salonstücke, wie sie das 19. Jahrhundert geliebt hat.

Dann machen wir einen Sprung zurück ins 20. Jahrhundert zu Gershwin. Der hat mit der „Rhapsody in Blue“, dieser Mischung aus Rachmaninow und dem St.-Louis-Blues, einen Hit gelandet, der seit seiner Uraufführung 1929 nicht nur andauernd gespielt wird, sondern auch ein paar hundert Mal auf Schallplatten gepreßt wurde. Catherine Gordeladze spielt hier nicht die Fassung für Klavier und Orchester, sondern Gershwins eigene Solo-Piano-Version, die sich neben ihrer großen Schwester gut hören lassen kann.

Abgerundet wird das vielseitige Programm durch vier Gershwin-Etüden von Earl Wild (1915–2010), einem amerikanischen Pianisten und Komponisten, der sich auf das virtuose Repertoire spezialisiert hatte, und genauso klingen diese kleinen, aber sauschweren Miniaturen über Gershwin-Songs auch: virtuos und spritzig.

Das nächste Konzert mit Catherine Gordeladze findet statt am 21. August im Parkstift Hahnhof in Baden-Baden.

www.catherinegordeladze.de

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