© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/14 / 08. August 2014

Wachhunde und Weltverbesserer
Dümmlicher Klamauk: In Moritz Laubes Spielfilmdebüt „Freiland“ gründet ein entlassener Lehrer seinen eigenen Staat
Sebastian Hennig

Ab dem vierten Lebensjahrzehnt hat sich der Mensch ins Unabänderliche zu schicken. Er sollte sich illusionslos eingestehen können, was ihm verwehrt bleiben wird. Bei solchem Realismus verbleibt ihm ein bedeutender Wirkungsbereich. Zu oft führt das Innewerden der abnehmenden Vitalität zu einer Projektion auf die Außenwelt. Die Zustände werden immer unerträglicher empfunden. Dabei ist das Leben eigentlich zu kurz, um einen allgemeinen Verfall zu spüren. Doch in dem Maße, wie die Weltverbesserer sich aufgegeben haben, setzen sie der Welt zu mit ihren Ansprüchen.

Doppelmoral der alternativen Szene

Moritz Laubes Spielfilmdebüt „Freiland“ handelt davon. Es ist ein in jeder Hinsicht ein erzwungener Film. Schon das Crowdfunding war eine Pleite. Nur ein Bruchteil der angestrebten Summe wurde erzielt. 2011 konnte dann nach einem zehnseitigen Konzept gedreht werden. Für diese Improvisation ist der Film seltsam glatt und konventionell geraten. Doch wer auf die Internetseite des 35jährigen „Director“ Laube schaut (www.moritzlaube.com), der weiß bald, warum das so sein muß. Ein gutes Dutzend der ödesten Werbeclips für Fast Food, Banken oder für den Deutschen Bundestag ist dort zu sehen. Da tritt ein schlanker Farbiger auf: „Ich bin Alberto, bin 25 und bin Beatboxer.“ Dann schiebt er sich mundfurzend durch die Berliner Straßen, die U-Bahn, eine Pommesbude, einen Klub. Zuletzt setzt er in einen Kreis ein oranges Kreuz: „Und das kann ich auch.“ Die Stimme aus dem Off verkündet: „Am 27. September ist Bundestagswahl. Ich geh’ hin.“ Oder ein wilder Fahrrad-Akrobat pedaliert sich voran: „Meine Name ist Vincent und mit Office 2010 hab mich selbst übertroffen.“ Dergleichen tut man nicht ungestraft.

So wirkt der Film wie eine abendfüllende Werbung für den Status quo und zeigt die ganze Doppelmoral der alternativen Szene, die sich engagiert gibt und dabei nur den verpudelten Wachhund des Zentralheizungs-Sozialismus der gegenwärtigen Bundesrepublik abgibt. Für das Männchenmachen gibt es Zucker aus dem Fördertöpfchen und das „Prädikat besonders wertvoll“. Der Kompaß wird ganz oben gestellt für die zornigen jungen Männer. Damit sie wissen, in welche Richtung sie ihren Zorn zu lenken haben.

Die Vision der Selbstverwaltung wird auf höchst unglaubwürdige Weise kompromittiert. „Freiland“ scheitert an dem Unvermögen der Gemeinschaft, Nachwuchs außerhalb des Krankenhauses auf die Welt zu bringen. Es ist nicht einmal eine Komödie, sondern bloß ein schaler Witz.

Der Lehrer Niels Deboos (Aljoscha Stadelmann) wird auf einer Demonstration durch gewalttätige Polizisten eines Auges beraubt. Beschwerden der Eltern führen zu seiner Entlassung. Sofort nimmt er für seine Weltverbesserungspläne neue Geiseln, erwirbt ein marodes Anwesen und gründet den autarken Staat „Freiland“. Der dümmliche und eitle Provinzbürgermeister Siegfried Matthias Rast (Stephan Grossmann) umschleicht feige das großartige Experiment. Seine Sekretärin, die jugendliche Dorfschönheit Nana (Henrike von Kuick), schleust sich in das Feindesland ein. Doch bald kocht sie statt dem Bürgermeister dem immer autokratischer sich gebärdenden Deboos den Kaffee. Die Fortpflanzung des Gemeinwesens wird wie im „Lebensborn“ oder der „Muehl-Kommune“ mit zugeteilten Partnern an Reproduktionsabenden vollzogen. Als der Diesel und die Nahrung zur Neige gehen und das Drama von Geburt und Totschlag über die Kommune hereinbricht kann der Fiesling endlich triumphieren.

Eingeschoben in die Darstellung sind Interviewszenen, in denen die Protagonisten auf das Geschehen zurückblicken. Selbst dieser Kunstgriff geschieht so kunstlos und durchschaubar wie möglich. Am Schluß wird deutlich, daß es sich um polizeiliche Verhöre gehandelt hat. Das Ganze ist ein dümmlicher Klamauk, ein Spaß ohne Witz, der einen in seinem durchschaubaren Fortgang immer beklommener zurückläßt.

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