© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/14 / 15. August 2014

Die Euro-Krise klopft bald wieder an unsere Türen
Fünf Facetten
Dirk Meyer

Die überraschende Schieflage der portugiesischen Großbank Banco Espírito Santo hat den Hilfsfonds zu einer sofortigen Notspritze von 4,9 Milliarden Euro veranlaßt. Das hochverschuldete Italien ist erneut in eine Rezession gerutscht. Schließlich gelten Bundesanleihen wieder als sicherer Eurohafen trotz Nullrendite für zweijährige Papiere. Drei Meldungen, die aufhorchen lassen. Die Euro-Krise ist zurück. Doch war sie überhaupt weg? Nein, falsche politische Weichenstellungen haben sie dauerhaft in fünf Facetten verwurzelt.

Die Bankenkrise ab 2007 offenbarte einen unzureichenden staatlichen Ordnungsrahmen. Er ließ Systemrisiken zu, privatisierte Gewinne aus Risikogeschäften und sozialisierte Verluste zu Lasten der Gesellschaft. Zwar steht jetzt die Haftungskaskade aus Aktionären, Anleihegläubigern, Großsparern, Abwicklungsfonds und ESM. Doch der Fonds wird erst 2026 voll einsatzfähig sein. Umfangreiche ausfallgefährdete Forderungen dürften die Ergebnisse des EZB-Bankentests nicht ohne Brisanz lassen.

Die Staatsschuldenkrise ab 2009 hat sich keinesfalls abgeschwächt. Seither ist die Staatsschuldenquote im Euroraum von 80 auf 94 Prozent angestiegen. Gelten 80 Prozent noch als rückführbar, so scheint die Lage für Griechenland (174), Italien (136), Portugal (133), Zypern (112), Belgien (105), Frankreich (97) und Spanien (97) besonders kritisch. Verdeckte Schuldenschnitte durch Laufzeitenverlängerung der Kredite in Verbindung mit Zinssatzsenkungen verschleiern die Probleme und geben falsche Anreize. Die Leistungsbilanzungleichgewichte haben sich zwar abgeschwächt. Aber die Gründe liegen nicht in der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit, sondern im rückläufigen Bruttoinlandsprodukt dieser Krisenstaaten. Niedrigzins und Schuldenvergemeinschaftung führen langfristig zu einer Nachhaltigkeitskrise. Sparen lohnt nicht, Alters- und Zukunftsvorsorge unterbleiben. Stattdessen prägen privater und staatlicher Konsum auf Pump das Bild.

Schließlich krankt die EU an einer institutionellen Krise. Einfache Regeln wie das Beistandsverbot und das Verbot der monetären Staatsverschuldung wurden durch komplexe, unübersichtliche Regelungen mit Auslegungsmöglichkeiten überstülpt. Der Rettungsschirm sowie der zahnlose Stabilitäts- und Fiskalpakt sind nicht EU-Vertragsbestandteil, sondern basieren auf Um- und Anbauten auf völkerrechtlicher Ebene. Anstelle von Regelbindung ist ein Ad-hoc-Handeln getreten.

All dies zeigt: Die Energien der Euro-Krise stauen sich auf, ihre Entladung ist nur eine Frage der Zeit. Es hängt vom Handeln der politischen Akteure ab, ob sie in einer planvollen Desintegration oder in einem chaotischen Zusammenbruch münden.

 

Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen