© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/14 / 15. August 2014

Alltagsmomente
Neue Wege des Impressionismus: Das Landesmuseum Mainz zeigt Werke von Max Slevogt
Claus-M. Wolfschlag

Die Kunstrichtung des Impressionismus entstand von Frankreich ausgehend im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Sie entwickelte sich als Gegenbewegung zur akademischen Kunst des Historismus. Nicht mehr die Linie und der dramatisch akzentuierte Bildaufbau, sondern das natürliche Licht wurde nun zum zentralen Stilmittel. Die Künstler bildeten nicht mehr mythologische oder historische Szenen ab, sondern scheinbar spontan eingefangene Alltagsmomente.

Wie so oft stand eine technische Erfindung am Anfang der neuen Denk- und Handlungsweise. Erst die industrielle Herstellung von Farben in Tuben machte es den Malern möglich, mit Leinwand und Pinsel in die freie Natur zu wandern und sich einfach dort niederzulassen, wo es ihnen gefiel. Dafür stehen Namen wie Monet, Renoir und Cézanne.

Weniger bekannt ist der spätere deutsche Impressionismus, dessen Erscheinen ab etwa 1900 nur mit wenigen Künstlern verbunden wird. Im Grunde werden nur drei Maler als maßgebliche Träger des deutschen Impressionismus genannt: Max Liebermann, Lovis Corinth und der 1868 geborene Max Slevogt.

Marketingstrategie eines Kunstverlegers?

Die Bilder Slevogts erscheinen weit weniger formstreng und komponiert als jene Liebermanns, zum anderen aber auch weniger dramatisch inszeniert und mehr in die Abstraktion weggleitend als bei Corinth. Bösartig ausgedrückt könnte man sagen, daß Slevogt, der erfolgreiche, Zigarre rauchende Lebemann, stilistisch eher formlos und brav blieb, er vielleicht gar nur deswegen in dieser Reihe vorkommt, um die Rede vom deutschen Impressionismus überhaupt legitimieren zu können. Nicht ohne Grund wird in der aktuellen Slevogt-Ausstellung angedeutet, daß es sich beim deutschen Impressionismus um eine geschickte Marketingstrategie des Kunstverlegers Paul Cassirer zum Zwecke der Beeinflussung des Kunstmarktes handeln könnte.

Daß es vergleichsweise ruhig um Slevogt wurde, lag auch an seinen Erben. Als er 1932 starb, verblieb seine umfangreiche Hinterlassenschaft auf dem südpfälzischen Landsitz der Familie und ab den siebziger Jahren im Schloß Edenkoben, fernab also der großen Kunstschauen.

Die Ausstellung in Mainz verweist somit mit Stolz darauf, zahlreiche selten zu sehende Arbeiten aus dem reichen Fundus des Malers zu zeigen. Erstmals sind Studien und Skizzen zu betrachten, die als Vorarbeiten für spätere Ölgemälde dienten, darunter gezeichnete Postkarten oder eine Schleiertänzerin in Buntstift. Der Auswahl aus 140 kaum bekannten Zeichnungen stehen 85 Gemälde gegenüber. Landschaftsbilder und bisweilen grobschlächtig wirkende Personendarstellungen sind in verschiedenen Räumen untergebracht.

Die Schau zeigt zweifellos bezaubernde Werke. Die Faszination entsteht vor allem, wenn uns die Motive in eine Epoche eintauchen lassen, die längst vergangen wirkt, doch deren Figuren so scheinen, als seien sie gerade erst vorbeigegangen. „Bal paré – Selbstbildnis mit Gattin“ von 1904 ist ein solches Gemälde, in dem Ehefrau Nini im mondänen Aufputz mit Schleppenkleid und breitem Hut gänzlich fremd zur heutigen Zeit steht, und doch die Gesichter den Betrachter auf berührend moderne Weise anblicken. Ähnlich die uns vom Bett aus zublinzelnde „Nini mit Katze“ von 1897.

Trotz vieler solcher Aha-Effekte bleibt dennoch ein unbefriedigender Eindruck jenes deutschen Impressionismus, zumindest aus Slevogts Pinsel, zurück. Bis heute feiert die Kunstkritik den Impressionismus als Ausbruch aus der dunkelfarbigen Welt der wilhelminischen Kunstdoktrin, und womöglich besaß dieser Ausbruch um des freiheitlichen Experimentierens willen einst seine Legitimität. Inzwischen jedoch scheinen viele seiner Ergebnisse flach und längst von der noch weit impressionistischeren Technik der Fotografie überholt. Was hat uns der deutsche Impressionismus also noch zu sagen? Finden wir nicht viel mehr an anregenden Geschichten in den so geschmähten Gemälden des 19. Jahrhunderts? Liegt nicht viel mehr an inhaltlicher Tiefe der Behandlung manch klassischen Stoffes zugrunde als diesem impressionistischen Stilleben oder jenem Kinderporträt? Wieviel mehr an Gefühl weiß das dramatisch mit Hell-Dunkel-Effekten gestaltete Szenario zu erzeugen, als eine grobstrichig dahingeworfene „Kleine Weinernte“? Das soll den Betrachtungswert von Slevogts Arbeiten nicht schmälern, aber die längst angestaubte historische Bewertung dennoch etwas geraderücken.

Die Ausstellung „Max Slevogt – Neue Wege des Impressionismus“ ist bis zum 12. Oktober im Landesmuseum Mainz, Große Bleiche 49-51, täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr, dienstags bis 20 Uhr, zu sehen. Telefon: 0 61 31 / 28 57-0

www.landesmuseum-mainz.de

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