© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Der Sieger steht schon fest
Sachsen: Die Wähler stimmen über den Koalitionspartner der Union ab
Paul Leonhard

Es sieht gut aus für die Sachsen-Union. Gut eine Woche vor den Landtagswahlen am 31. August steht fest: Sie wird stärkste politische Kraft im Freistaat bleiben. Alle Umfragen prognostizieren den Christdemokraten unter Ministerpräsident Stanislaw Tillich zwischen 40 und 43 Prozent der Wählerstimmen. „Scheitert die CDU an der 45-Prozent-Hürde?“, fragte das Dresdner Stadtmagazin Sax in seiner jüngsten Ausgabe mit Blick auf die schwachbrüstige und zerstrittene Opposition und den vom landespolitischen Aus bedrohten aktuellen Koalitionspartner FDP.

Um diesen vor dem Absturz zu bewahren, leistet die Union den Liberalen nun Schützenhilfe. Nicht in Form einer Zweitstimmenkampagne, aber immerhin darf Wirtschafts- und Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) durch den Freistaat reisen und die Erfolge von fünf Jahren schwarz-gelber Politik propagieren. Und die können sich durchaus sehen lassen, auch wenn der liberale Anteil daran ein kleiner ist: solide Finanzen, ein Neuverschuldungsverbot, eine auf neun Prozent gedrückte Arbeitslosenquote und ein Investitionsanteil im Haushaltsetat von 20 Prozent.

Der größte Wahlkampfclou der CDU/FDP-Regierung war der Doppelhaushalt 2015/16 Anfang Juli, der nicht nur ausgeglichen ist, sondern allen viel verspricht: Neue Polizisten und Lehrer sollen eingestellt werden, die Zuschüsse an freie Schulen steigen. FDP-Minister Morlok durfte symbolische Schecks in Millionen-Euro-Höhe an Bürgermeister und Landräte verteilen, mit denen diese endlich die maroden Straßen sanieren können. Weitere knapp 134 Millionen Euro sind für den Straßenbau in den kommenden beiden Jahren verplant. „Ihr Auto würde uns wählen“, heißt es denn auch auf einem der zahlreichen Wahlplakate, die der Werbespezialist und FDP-Landeschef Holger Zastrow an die Straßenbäume hat hängen lassen.

Trotzdem dürfte die Landtagswahl für die sächsischen Liberalen einer Zitterpartie werden. Aktuelle Prognosen billigen der Partei nur zwischen drei und fünf Prozent der Wählerstimmen zu. Noch trostloser sieht es für die NPD in ihrer einstigen sächsischen Hochburg aus. Nach Umfragen scheitert sie an der Fünfprozenthürde, allerdings hat die Partei in der Wählergunst immer etwas besser abgeschnitten als prognostiziert. Daß sie als Oppositionspartei im Landtag wenig zustande gebracht hat (angesichts des Medienboykotts vielleicht auch wenig leisten konnte) und vor allem durch Personalquerelen aufgefallen ist, dürfte zur Zeit weitgehend vergessen sein.

Die SPD liegt deutlich hinter der Linkspartei

Die Wahlkampagne der „Heimat im Herzen“-Partei von rechtsaußen mit Sprüchen wie „Weg mit dem Crystal-Dreck“ und „Kinderschutz statt Kuscheljustiz“ trifft die Stimmung an manchen Stammtischen. In Fragen der Sicherheit und insbesondere des Schutzes an der Außengrenze nehmen interessanterweise nahezu alle Parteien die Bedenken der Bürger ernst, auch wenn sie es im Wahlkampf verschieden deutlich artikulieren.

Keine Chance, künftig in der Landespolitik mitzumischen, haben die Piraten. Daß dagegen die Alternative für Deutschland (AfD) als neue politische Kraft künftig im Landtag mitmischen wird, gilt als sehr wahrscheinlich. Zwar dürfte es für das einst angestrebte zweistellige Ergebnis nicht reichen; Wahlforscher rechnen eher mit einem Ergebnis zwischen fünf und sieben Prozent. Das ist trotzdem beachtlich, weil die neue Partei um Spitzenkandidatin Frauke Petry (Interview siehe 3) von vielen sächsischen Medien noch immer als „rechtspopulistisch“ verunglimpft wird und die AfD selbst durch seltsame politische Zickzackkurse aufgefallen ist. Dazu zählt die von Petry in der Leipziger Volkszeitung getroffene Aussage, die AfD könnte ein Linksbündnis aus SPD und SED-Nachfolgern tolerieren.

Daß es ein derartiges Bündnis auf absehbare Zeit in Sachsen nicht geben wird, liegt aber an den Beteiligten selbst. Den Sozialdemokraten unter ihrem Vorsitzenden Martin Dulig wird zwar mit 13 Prozent ein besseres Ergebnis als vor fünf Jahren (10,4 Prozent) zugetraut, sie dürften aber weiterhin deutlich hinter der Linkspartei liegen, der zwischen 19 und 21 Prozent der Wählerstimmen prognostiziert werden. Ein leichter Aufwärtstrend wird für die Bündnisgrünen mit sieben Prozent erwartet.

Damit stehen insgesamt drei Parteien – FDP, SPD und Bündnisgrüne – als mögliche Koalitionspartner für die CDU bereit. Ministerpräsident Tillich schließt zudem Gespräche mit der AfD nicht aus, die sich selbst in dieser Frage äußerst zurückhaltend zeigt. Nicht wenige Funktionäre hoffen, daß dieser Kelch an der jungen Partei vorübergeht.

Die beste Option für die Christdemokraten wäre aber die Rückkehr zur Alleinherrschaft, um wie zwischen 1990 und 2004 Sachsen ohne lästigen Koalitonspartner auf einem wirtschaftlich erfolgreichen Kurs zu halten. Um das zu schaffen, würde ihr das Scheitern möglichst vieler Parteien knapp unter der Fünfprozenthürde und eine hohe Wahlbeteiligung nützen. Deswegen appelliert Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) an die Wähler, den letzten Sommerferientag nicht für einen Familienausflug ins Grüne zu nutzen, sondern an die Wahlurnen zu gehen: „Wir Sachsen haben uns dieses Wahlrecht in der Friedlichen Revolution mit viel Mut und persönlichem Einsatz erkämpft. Wenn Sie nicht zur Wahl gehen, verzichten Sie auf Ihr wertvollstes demokratisches Recht: Ihr Wahlrecht.“

Foto: Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) auf Stimmenfang: „Ihr Auto würde uns wählen“

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