© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Die EU will die Arbeitslosenversicherung vergemeinschaften
Prinzip Abwälzung
Christian Schwießelmann

Währungsunion plus Bankenunion plus Fiskalunion gleich Sozialunion. So oder ähnlich dürfte die Gleichung im Kopf des scheidenden Sozialkommissars László Andor lauten. „Ein Modell, in dem die Mitgliedsstaaten der Wirtschafts- und Währungsunion einen Teil der Kosten der Arbeitslosenversicherung teilen würden, wäre der logische nächste Schritt nach einer Bankenunion“, sagte der ungarische Sozialist der Wirtschaftswoche.

Rechnungen dazu hat Frankreichs Regierung, nach deren Regie die Brüsseler Marionetten gewöhnlich tanzen, bereits in der Schublade. Gäbe es eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung auf europäischer Ebene, hätte Deutschland von 2000 bis 2012 für die französischen Arbeitslosen 20,4 Milliarden Euro löhnen müssen. Größter Nutznießer wäre mit 34,5 Milliarden Euro Spanien gewesen, das von hoher Jugendarbeitslosigkeit heimgesucht wird. Die deutschen Beitragszahler müßten rund 30 Prozent der gesamten Leistungen schultern. „Die Vergemeinschaftung der nationalen Ausgaben für die Arbeitslosenversicherung in der Euro-Zone wäre ein starkes Signal der Integration und der Solidarität“, heißt es aus dem französischen Finanzministerium. Andors Einstiegsvariante sieht vor, daß Brüssel einem Arbeitslosen sechs Monate lang 40 Prozent des letzten Gehalts zahlt; die Mitgliedsstaaten könnten nach Belieben aufstocken.

Während Berlin noch zögert, möchte Paris sofort das Aufgebot für die Transferunion bestellen. In der EU sollen die Deutschen nicht der ständig auf die Verträge pochende Zuchtmeister, sondern der Zahlmeister sein, auf den man die Kosten der Arbeitslosigkeit abwälzen kann. „Das ist wie bei einem Paar, bei dem der eine liebt und heiraten will und der andere hauptsächlich an das Geld des Partners heranmöchte, am liebsten noch, bevor der Ehevertrag geschlossen wird“, brachte Hans-Werner Sinn die deutsche Beziehung zum vereinten Europa kürzlich auf den Punkt.

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