© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

Spandaus kaltes Geheimnis
Deutscher Mittelstand: Der Lokalpatriot Olaf Höhn produziert das beste Eis Berlins und expandiert
Paul Leonhard

Florida-Eis ist Kult. Zumindest in Berlin und Teilen Brandenburgs. Aber zunehmend auch in Mecklenburg-Vorpommern: in Demmin, an der Müritz, in Rostock und auf Rügen. Trotzdem hat Eisproduzent Olaf Höhn den ganz großen Sprung noch nicht gewagt, wie die Deutschlandkarte auf der Internetseite des Unternehmens zeigt. Ganze Bundesländer sind in puncto Eis aus Berlin-Spandau weiße Flecken.

Das ist unfair, denn so entgeht vielen Deutschen etwas Wunderbares, von dem die Kenner in höchsten Tönen schwärmen. Für sie ist „Florida“ das beste Eis, das es in Berlin gibt, und dafür sind sie auch bereit, etwas tiefer in die Geldbörse zu greifen. Sie loben die gleichbleibend hohe Qualität und das unvergleichbare Geschmackserlebnis. Die Fans wissen auch, woran das liegt: an den altmodischen Maschinen, die Olaf Höhn einsetzt, an der wortwörtlichen Handarbeit, den klassischen Rezepten und – an der Luft.

Butter statt pflanzlicher Fette macht Eis weicher

Während diese bei vielen industriell hergestellten Eissorten zu großzügig vorhanden ist, liegt der Luftanteil beim Florida-Eis bei etwa zehn Prozent. Nur so erhalte man köstlich cremiges Speiseeis, verrät Höhn, Jahrgang 1949, „das Geheimnis unserer Qualität“: Ist zuviel Luft vorhanden, spricht man von einem kalten „Zucker-Luft-Schaum-Gemisch“, das mehr einem kühlen Schaumkuß ähnelt. Dazu kommen bei Florida-Eis frisches Vanillemark, das per Hand aus den Schoten geschabt wird, und weitere frische Zutaten.

„Unsere Patissiers kochen, rösten und bringen Schokolade zum Schmelzen.“ Obst, Nüsse, Schokosplitter und Nougatsauce werden mit hohem Qualitätsanspruch verarbeitet. Besonders wichtig für viele Kunden ist, daß auf künstliche Aromastoffe verzichtet wird und das Fruchteis garantiert laktose- und glutenfrei ist.

Beim Milcheis ist wiederum die Eisgrundmasse entscheidend, die aus Milch, Zucker, Eigelb und – im Gegensatz zu anderen Eisfabriken, die pflanzliches Fett verwenden – Butter hergestellt wird. So „zergeht das Eis viel weicher und schmeichelt dem Gaumen“, weiß Höhn. Aktuell produziert die Florida Eiscafé KG genau 31 verschiedene Milcheis- und 13 Fruchteissorten. Der Berliner Tagesspiegel beschrieb Höhn einmal als einen „wahren Missionar, der tausend Geschichten erzählen kann“. Der studierte Maschinenbauingenieur wuchs in Neukölln auf und arbeitete zunächst in der Bäckerei seines Vaters, ehe er 1984 in der Klosterstraße in Berlin-Spandau das Eiscafé „Annelie“ erwarb und in „Florida Eiscafé“ umbenannte.

Der Eisverkauf auf der Klosterstraße 15 konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine Geschichte zurückblicken, die bis ins Frühjahr des Jahres 1927 reicht. Damals verkaufte hier das Ehepaar Blotko im Kino Concordia, später Regina, ihr erstes Eis. 1944 zerbombt, ging der Verkauf in einer Bretterbude weiter. 1957 gründete Konditormeister Helmut Freund das „Café Annelie“, das er bis zum Verkauf an Höhn als Familienbetrieb führte. Höhn ist selbst ein konservativer Unternehmer, der immer versucht hat, größere Risiken zu vermeiden. Gegenüber Journalisten hat er sich einmal als „Überzeugungstäter, nicht als Geschäftsführer“ bezeichnet und räumte ein: „Vielleicht bin ich ein schlechter Kaufmann, aber ich bin Techniker.“

Mit seiner bisher risikoreichsten Entscheidung hat Höhn lange gezögert und auch gepokert. Der Eisproduzent hatte sich dazu durchgerungen, zu investieren. Rund fünf Millionen Euro. Er wollte die Eisproduktion auf mehr als 2.000 Tonnen verdoppeln, dafür eine neue Fabrik eröffnen, am liebsten in Spandau, aber auch das Nachbarland Brandenburg hatte er ins Auge gefaßt. Dort hätte man ihn mit offenen Armen empfangen und bereitwillig Fördermittel zur Verfügung gestellt.

Letztlich ist Höhn als Lokalpatriot in dem vertrauten Stadtteil Berlins geblieben. Gerade weil Höhn mit Speiseeis etwas produziert, was eigentlich „keiner braucht, außer Kindern nach der Mandel-OP“ und was dazu in der Herstellung sehr energieintensiv ist, wollte er seinen Traum von einer umweltschonenden Eisproduktion umsetzen. Deswegen erfüllt das seit 2012 produzierende Werk am Zeppelinpark alle noch so verstiegenen ökologischen Auflagen. Keine Standardproduktion für Speiseeis ist entstanden, sondern ein Manufakturbetrieb: umweltverträgliche Technologien, zusätzlicher Wind- und Solarstrom, geringe Lärmbelästigung. Ein großflächiges Gründach gleicht nicht nur die versiegelte Bodenfläche aus, sondern trägt auch zu einem besseren Betriebsklima bei.

Den Wärmebedarf deckt eine Pelletheizung, auf umweltschädliche Kühlmittel wird verzichtet. Die Schockfrostung erfolgt nicht über Strom oder Kohlenstoffdioxid, sondern über Stickstoff. Und die „Florida“-Tiefkühlfahrzeuge fahren dank Eutektik ohne externe Kühlung durch die Stadt, womit auch Höhns Forderung einer Umweltentlastung im Straßenverkehr erfüllt wurde. Öko-Eis verkauft sich einfach besser. Die Konzession an den Zeitgeist mag man verurteilen, beim Kunden kommt sie an.

Längst verfügt Florida-Eis über Filialen außerhalb Spandaus, beliefert Handelsketten und vertreibt seine kalten Produkte im eigenen Onlineshop. Höhn ist Chef von rund 220 Mitarbeitern in der Fabrik und den Eiscafés, acht Millionen Euro hat er allein 2012 umgesetzt. Es sei gelungen, „Manufaktur, Qualität und Ökologie erfolgreich zu vereinen“, freut sich der Erfolgsunternehmer.

www.floridaeis.de

Foto: Köstlichkeit: Die Erfolgsgeschichte der Florida-Eis Manufaktur GmbH begann in der Spandauer Klosterstraße

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