© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/14 / 22. August 2014

CD-Kritik: Herbst in Peking
Tiger und Fliege
Sebastian Hennig

Nachdem sie 1989 auf einer FDJ-Großveranstaltung eine Schweigeminute für die Opfer des Tiananmen-Massakers forderten, wurden „Herbst in Peking“ umgehend verboten. Später sangen sie dann: „Wir leben in der Bakschischrepublik und es gibt keinen Sieg / man wird die roten Götter schleifen / viele wer’n es nicht begreifen.“

Die erste Platte seit zehn Jahren faßt nun William Blakes Gedicht „The Tyger“ in einen boleroartigen Tanzmarsch. Die schwarze Romantik war bereits ein Anknüpfungspunkt für die Subkultur, aus der die Band stammt. Kleist und Novalis wurden bebildert und vertont. Der Ausdruck der gärenden inneren Emigration gegen die repressive französische Besatzung war die gegebene Referenz für die Situation in den letzten Jahren der DDR. Da Deutlichkeit empfindliche Folgen haben konnte, bewegte man sich im unmißverständlichen Ungefähr. Immer war es mehr Stimmung als Form. Inzwischen ist die Stimmung zur Form geronnen. „Wir leben immer noch in der Bakschischrepublik“ hat Sänger Rex Joswig vor einiger Zeit im Fernsehinterview festgestellt. Seine schartige dunkle Stimme klingt, wie die kupfergeätzte Schrift auf den Grafiken Blakes aussieht. „Der Mond“ ist ganz im Sprechgesang gebrummelt. Die Musikerfreunde von Tarwater lassen die deutsche Fassung „Der Tiger“ zu einem Werbejingle für die ungezähmte Kreatur werden.

Herbst in Peking, The Tyger & the Fly, Peking Records, 2014 www.pekingrecords.de

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